• Guten Start ins Wintersemester 2024/2025

Nicht Anwendbarkeit des § 812 BGB bei in Vollzug gesetztem Arbeitsverhältnis

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(Nicht) Anwendbarkeit des § 812 BGB bei in Vollzug gesetztem Arbeitsverhältnis

Hallo Ihr Lieben,

ich kämpf mich grad durch ein paar Fälle und hab noch nicht so richtig kapiert, warum bei bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen der § 812 BGB (Bereicherungsrecht) nicht angewendet werden kann. Die Erklärungen sind mir irgendwie zu verworren 😕🙁

Auf dieses Problem stößt man, wenn der Arbeitgeber seine zum Arbeitsvertrag führende Willenserklärung (nach Antritt der Stelle durch den Arbeitnehmer) anficht oder der Arbeitsvertrag durch die Minderjährigkeit des Arbeitnehmers (und nicht Genehmigung durch den Sorgeberechtigten) unwirksam ist (und der Minderjährige aber schon gearbeitet hat).

Ich raff das irgendwie nicht!😡


Danke schonmal!
 
So ´mal aus der Hüfte geschossen😎, weil

1.) der AN schon etwas geleistet i.S.d. § 812 I 1.Alt. hat und
2.) (wohl der wesentlichere Grund) durch die Arbeitsaufnahme wenigstens bei wirksamer Anfechtung des AV durch den AG immerhin noch ein faktisches Arbeitsverhältnis besteht.

Frohes Schaffen!
zephyr
 
JA, der Arbeitnehmer hat schon etwas geleistet, deswegen will er ja auch den Lohn...(auch wenn kein Rechtsgrund bzw. Arbeitsverhältnis mehr besteht). Anspruchsteller aus 812 BGB wäre ja der Arbeitnehmer.
 
Der Arbeitgeber ficht an. Bei Arbeitsverträgen wirkt die Anfechtung nur für die Zukunft. Das heißt, die bereits vom Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbrachte Leistung ist im Gegenseitigkeitsverhältnis (§320ff BGB) vergütungspflichtig. Da die Leistung bewirkt worden ist, besteht kein Herausgabeanspruch nach § 812 BGB des AG (!). Oder anders gesagt: die sich für den AG monetär niederschlagende Wirkung der Arbeitsleistung des AN kann nur über die gegenseitige Vergütungsleistung "rückabgewickelt" werden.
 
Zitat: Der Arbeitgeber ficht an. Bei Arbeitsverträgen wirkt die Anfechtung nur für die Zukunft. (das mit dem Zitieren macht mein PC grad nicht)


Doch aber nur, wenn das Arbeitsverhältnis bereits in Gang gesetzt wurde, oder?
 
So ´mal aus der Hüfte geschossen😎, weil


2.) (wohl der wesentlichere Grund) durch die Arbeitsaufnahme wenigstens bei wirksamer Anfechtung des AV durch den AG immerhin noch ein faktisches Arbeitsverhältnis besteht.

Frohes Schaffen!
zephyr

Ich dachte, dass das faktische Arbeitsverhältnis nur konstruiert wird, wenn der Arbeitsvertrag von Anfang an unwirksam ist. Wenn jetzt der Arbeitsgeber anficht und das Arbeitsverhältnis wurde bereits aufgenommen, dann wäre der Arbeitsvertrag nicht von Anfang an, sondern ex nunc unwirksam.
 
Doch aber nur, wenn das Arbeitsverhältnis bereits in Gang gesetzt wurde, oder?
Ja, er ficht seine Willenserklärung, die Dienste des AN in Anspruch zu nehmen, an. Das ist das eine. Weiterhin muss man betrachten, ob der AN bereits Leistung erbracht hat. Ist dies nicht der Fall, ist eine Überlegung betreffs § 812 BGB ohnehin obsolet. Wird zwischen Vertragsabschluss und Leistungsbeginn angefochten, kommen SEAs nach § 122 BGB in Betracht, ggf. in Verbindung mit culpa in contrahendo (§241 II BGB). Wenn die Leistung stillschweigend (konkludent) geduldet wurde, ist der AN durch § 241a II BGB geschützt.
Meine Meinung
 
Ja, er ficht seine Willenserklärung, die Dienste des AN in Anspruch zu nehmen, an. Das ist das eine. Weiterhin muss man betrachten, ob der AN bereits Leistung erbracht hat. Ist dies nicht der Fall, ist eine Überlegung betreffs § 812 BGB ohnehin obsolet. Wird zwischen Vertragsabschluss und Leistungsbeginn angefochten, kommen SEAs nach § 122 BGB in Betracht, ggf. in Verbindung mit culpa in contrahendo (§241 II BGB). Wenn die Leistung stillschweigend (konkludent) geduldet wurde, ist der AN durch § 241a II BGB geschützt.
Meine Meinung😉

Und wenn nach Leistungsbeginn angefochten wird? Dann nehm ich doch die Kontruktion des faktischen Arbeitsverhältnisses tu so, als ob der Arbeitsvertrag bis zum Zeitpunkt wirksam war und der Arbeitnehmer kann für diese Zeit gemäß AV i.V.m. § 611 I BGB seinen Lohn fordern, oder?
 
Wird zwischen Vertragsabschluss und Leistungsbeginn angefochten, kommen SEAs nach § 122 BGB in Betracht, ggf. in Verbindung mit culpa in contrahendo (§241 II BGB).
Meine Meinung😉

Das mit dem 122 BGB ist ja echt interessant (den hatte ich schon wieder ganz verdrängt 😀). Wann nehme ich denn nur den 122 I und wann i.V.m. 241 II (Sorry, meine BGB I Kenntnisse müssen sich irgendwo ganz ganz tief in irgendeiner Hirnwindung versteckt haben).:cool
 
Nochmal zum § 812:
Wie schon richtig gesagt, ist es eben h.M. und gängige Rtspr. dass eine Anfechtung nur ex nunc wirkt und statt dessen für die Vergangenheit ein faktisches Arbeitsverhältnis angenommen wird.
Grund dafür ist, dass bei einer ex-tunc-Wirkung nach § 812 die erbrachten Leistungen herausgegeben werden müssten. Dies ist bei der erbrachten Arbeitsleistung durch den AN aber nur schwerlich vorstellbar, es wäre höchstens Wertersatz möglich und nur wenn der AG noch bereichert ist.
Der AN hingegen müsste den ganzen Lohn herausgeben (soweit er noch bereichert ist).
Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden kommt man zur Theorie des faktischen Arbeitsverhältnisses.

Und wenn nach Leistungsbeginn angefochten wird? Dann nehm ich doch die Kontruktion des faktischen Arbeitsverhältnisses tu so, als ob der Arbeitsvertrag bis zum Zeitpunkt wirksam war und der Arbeitnehmer kann für diese Zeit gemäß AV i.V.m. § 611 I BGB seinen Lohn fordern, oder?

Richtig. In der Regel wird aber § 611 I allein genommen.

Das mit dem 122 BGB ist ja echt interessant (den hatte ich schon wieder ganz verdrängt 😀). Wann nehme ich denn nur den 122 I und wann i.V.m. 241 II (Sorry, meine BGB I Kenntnisse müssen sich irgendwo ganz ganz tief in irgendeiner Hirnwindung versteckt haben).😎

§ 122 I greift, wenn eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119,120 angefochten wird.
c.i.c. (§§ 280, 311II, 241II) im Gegensatz zu § 122 I verschuldensunabhängig und setzt keinen Vertragsschluss voraus.
Es geht vielmehr um eine vorvertragliche Haftung für verletztes Vertrauen.
Die beiden Haftungen schließen einander aber nicht aus (h.M.).

Wann wäre denn eigentlich eine Anfechtung gemäß § 119 II BGB durch den Arbeitgeber zulässig?
bei Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person
anerkannte verkehrswesentliche Eigenschaften -> siehe Skript
z.B. Vorbildung, Vorstrafen soweit einschlägig, Vertrauenswürdigkeit, Gesundheitszustand (nicht jedoch Schwangerschaft)
 
Dr Franke Ghostwriter
Nochmal zum § 812:
Wie schon richtig gesagt, ist es eben h.M. und gängige Rtspr. dass eine Anfechtung nur ex nunc wirkt und statt dessen für die Vergangenheit ein faktisches Arbeitsverhältnis angenommen wird.
Grund dafür ist, dass bei einer ex-tunc-Wirkung nach § 812 die erbrachten Leistungen herausgegeben werden müssten. Dies ist bei der erbrachten Arbeitsleistung durch den AN aber nur schwerlich vorstellbar, es wäre höchstens Wertersatz möglich und nur wenn der AG noch bereichert ist.
Der AN hingegen müsste den ganzen Lohn herausgeben (soweit er noch bereichert ist).
Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden kommt man zur Theorie des faktischen Arbeitsverhältnisses.



Richtig. In der Regel wird aber § 611 I allein genommen.



§ 122 I greift, wenn eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119,120 angefochten wird.
c.i.c. (§§ 280, 311II, 241II) im Gegensatz zu § 122 I verschuldensunabhängig und setzt keinen Vertragsschluss voraus.
Es geht vielmehr um eine vorvertragliche Haftung für verletztes Vertrauen.
Die beiden Haftungen schließen einander aber nicht aus (h.M.).


bei Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person
anerkannte verkehrswesentliche Eigenschaften -> siehe Skript
z.B. Vorbildung, Vorstrafen soweit einschlägig, Vertrauenswürdigkeit, Gesundheitszustand (nicht jedoch Schwangerschaft)

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
 
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