Das Studium kommt zum Ende:
Mein Name ist Stephan. Ich habe vor einiger Zeit mit dem Jurastudium an der Universität in Bayreuth begonnen. Ich komme aus einer Familie, in der es keine Akademiker oder gar Abiturienten gibt, so dass Abitur und Studium, mit finanzieller Unterstützung meiner Familie, im Wesentlichen von mir selbst gemanaged wird/wurde. Zu Jura kam ich wie die Jungfrau zum Kinde. Eigentlich wollte ich Lehrer für Deutsch und Philosophie werden oder Philosophie, Soziologie und Staats- und Völkerrechtskunde auf Magister studieren. Darunter konnten sich meine Eltern aber nicht viel vorstellen und dachten sich vermutlich eher: "Oh je, der Sohn wird Philosoph, ergo Taxifahrer". Jura schwang als Möglichkeit immer mit und der Beruf "Rechtsanwalt" ist ja doch nun sehr greifbar und bestimmt auch hübsch zu positionieren bei Freunden und Verwandten.
Also Jura in Bayreuth, obschon ich aus dem hohen Norden kam. Das wollte ich so, denn einerseits mag ich Campus-Unis, andererseits war meine damalige Freundin aus Süddeutschland und die wollte dann auch in Bayreuth studieren. Letztlich wollte ich mich aber auch ausprobieren. Bekomme ich das hin mit dem eigenständigen Leben, weg von Mami und Papi?
So kam ich in Bayreuth an, wohnte in einer tollen WG und genoss den Austausch mit anderen netten Leuten. Aber in mir nagte etwas: Die neu gewonnene Freiheit zeigte mir die wunderschöne Welt der Freigeistigkeit. Die ersten drei Semester Jura habe ich alles Mögliche gelesen, ich war gern an der Uni und traf die netten Kommilitonen aber der Zugang zu Jura gelang nicht so ganz. Viel schlimmer wog aber zunächst, dass ich das schwere Gefühl hatte, betrogen worden zu sein. Ich erkannte den schweren Betrug, den meine Gymnasiallehrer (die mitunter sehr nett waren) an mir begangen haben, denn sie haben mir so viel Wissen vorenthalten oder lediglich gefährliches Halbwissen gelehrt. Nun, der Vorwurf ist vielleicht nicht gerechtfertigt, denn hätten sie etwas anderes gekonnt? Wäre etwas anderes überhaupt möglich gewesen? Wie dem auch sei, ich fühlte mich schmerzlich betrogen um wunderschöne und tiefgründige Literatur und tolle wissenschaftliche Gedanken und Ansätze. Das stürzte mich in eine tiefe Krise und hinzu kam ein Studienfach, dem ich mich nicht wirklich annehmen konnte.
Im Nachhinein weiß ich, dass mir ein Studium Generale zuvor sehr gut getan hätte. Ich aber litt weiter und irgendwie ging es mir nicht alleine so. Es war, als würde ich eine Art Pubertät noch mal durchmachen. Und so suchte und fand ich allerlei tolles Wissen. Einen gelungenen Einstieg in das Jurastudium fand ich nicht, obschon ich die notwendigen Zwischenprüfungsklausuren alle bestand (nicht sonderlich toll, 5-6 Punkte).
Etwas anderes kam noch hinzu: Die Studiendauer war in Bayreuth begrenzt. Nach 14 Semester wurde man zwangsweise angemeldet zum Staatsexamen. Hatte man bis dahin nicht alles geschafft an großen und kleinen Scheinen, war der erste Versuch weg. Eine Horrorvorstellung, wie man sich denken kann. So auch für mich, denn ich fühlte mich ungerecht bestraft. Wieso darf ich nicht ein oder zwei Semester mit eigenen Studien zubringen? Wieso werde ich auf diese 14 Semestergrenze festgelegt? Damals gab es in Bayreuth Studiengebühren. 712,95 Euro pro Semester, die wurden doch bezahlt, wieso also keinen eigenen Zeitplan haben? Und dann ist da noch diese unheimlich schöne Welt der Literatur (und anderer Wissenschaften), die mich magisch anzog (und anzieht).
Die Krise setzte sich familiär fort. Ich begann zu verstehen, dass ich meinen Eltern eine finanzielle Last war. (Ich war empfohlener Hauptschüler, machte Realschule, Höhere Handelsschule, Abitur, dann Studium.) Meine Eltern sind nicht arm und nicht reich, gute Mittelschicht eben. Für (m)ein Studium wurden jedoch nie Rücklagen gebildet. Ein Studium und das, was da so dazu gehört, wurde also aus dem monatlichen Cashflow bezahlt, was mit 700 Euro pro Monat plus die Studiengebühren im Semester sicherlich nicht leicht war.
Ich merkte das natürlich, war aber so verwirrt und durch das viele, schöne, neue Wissen auch irgendwie entfremdet von meiner Familie, dass sich in mir eine Mischung aus Wut und Angst anhäufte. Hinzu kam, dass ich erlebt habe, wie monströs das Staatsexamen an sich war und was es aus Menschen machte. Abgründe taten sich auf und an der Fakultät fühlte ich mich schon lang nicht mehr wohl, denn leider stimmen viele Klischees über Juristen/Jurastudenten und innen zumindest in Bayreuth mit der Wahrheit oft überein. Ich war dann mehr im botanischen Garten, als in der Bibliothek.
Alles in allem hatte ich die Perspektive verloren, fühlte mich zu Hause missverstanden, verstand nicht, wie ich den Weg ins richtige Leben finden sollte und fand Jura und diesen bescheuerten Zeitdruck furchtbar. Plus: Ich wollte mich lieber in der Literatur ertränken. Dieser Zustand kostete jeden Tag das Geld meiner Eltern. Ich war 25, hatte eine juristische Zwischenprüfung und keine Lust auf die Examenshölle, zumal mir noch die großen Scheine fehlten, und Mama und Papa bezahlten immer noch mein Leben. Nachts konnte ich nicht mehr schlafen, ich litt an Herzrasen und Kurzatmigkeit, kurz um: Es ging mir beschissen!!!
So konnte es nicht mehr weitergehen!
Ich habe immer für alles gekämpft und habe Arbeit nie gescheut, also habe ich mir Mantras auferlegt. Mantras sind für mich Aufgaben, die unbedingt zu erledigen sind. Egal wie, egal wann, ABER sie müssen erledigt sein.
Mantra 1: Der Modus des Studiums muss sich ändern. An der Uni Bayreuth halte ich es nicht mehr aus. Jura ist ganz ok, aber der Zeitdruck ist doof.
Mantra 2: Mach dich unabhängig von zu Hause. Als ich meinen Eltern eröffnete, dass ich an die Fern Uni Hagen gehen wollte, sagten sie, dass ich dafür ja auch zurück nach Hause kommen könnte. Das war ein Frontalangriff auf mein Leben, denn in Bayreuth waren meine Freunde (ich hatte viele außerhalb der Uni) und meine damalige Freundin. Es war mir unverständlich, wie man dies so in den Raum stellen konnte. (Dazu später mehr) Also hieß es: Einen Job finden, der Geld bringt und womöglich auch noch keine allzu dumme Tätigkeit ist.
Mantra 3: Ich wollte einen Betrag von 3.000 Euro an jemanden zurückzahlen. (Viel Geld für jemanden ohne Einkommen!)
Mantra 4: Frau fürs Leben finden.
Diese Mantras ergaben sich im Laufe von 1-2 Jahren, ich war also 26-27 Jahre alt, als meine Mantras = vorläufige Lebensaufgaben feststanden.
Die Mantras 2-4 haben sich binnen 3 Jahren erfüllt.
- Ich habe in einem mittelständischen Unternehmen als 450 Euro-Kraft begonnen und war immer neugierig für Abläufe und Prozesse und Lernfähig war/bin ich auch. Heute bin ich dort Prokurist.
- Für Mantra 3 habe ich einen Kredit aufgenommen, der erste in meinem Leben. Dank eines geregelten Einkommens konnte ich das. Ein Mantra war erfüllt und ich konnte erfahren, was es heißt, Verantwortung für eine Zahlungsverpflichtung zu übernehmen.
- Mantra 4 hat sich am 12.10.2013 erfüllt. Ich lernte meine heutige Frau kennen. ich war ganz gezielt auf der Suche nach "der richtigen", denn aus ein paar Beziehungen davor wusste ich nun, was mein kleines Herz so braucht, um Glücklich zu sein und wo es keinen Sinn ergibt, Kompromisse einzugehen. Seit dem 04.06.2016 sind wir glücklich verheiratet!
ABER nun zu Mantra 1!
Ich habe ein wenig rum gesucht nach Jurastudiengängen, denn ich wollte meine Scheine, die ich bereits erworben hatte in Bayreuth, weiter benutzen und nicht unnütz sein lassen. Jura an sich war ja auch nicht schlecht. Ich durfte, während meiner Zeit in Bayreuth, sogar einen Fachaufsatz im Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart veröffentlichen. Aber die Studienparameter mussten verändert werden.
Irgendwie kam also ich zur Fern Uni Hagen und dem Bachelor of Law. Fern Uni Hagen. Ich zitiere Prof. Dr. Wolfgang Kahl M.A., der seiner Zeit in einer Grundrechtsvorlesung sagte: "Meine Damen und Herren, wir sind hier nicht an der Fern Uni Hagen". Ist es klug zur Fern Uni zu gehen? Ich weiß, dass ich unheimlich faul sein kann, das war ein Risiko. Andererseits hat Hagen keine zeitliche Begrenzung. Es war ein Neuanfang, auch wenn ich wusste, dass ich Gefahr laufe, einem Schlendrian anheim zu fallen. Naja gut. Der Ruf der Uni war mir erst mal egal. (Wie der Ruf der Fern Uni und ihrer Abschlüsse so ist, weiß ich bis heute nicht.) Ich konnte meine Scheine anrechnen lassen, es gab keinen Zeitdruck und ich konnte nebenher arbeiten. Also los geht’s.
In den Modus mit den Einsendeaufgaben musste ich erst mal rein kommen, aber das klappte dann schon irgendwann. Klausuren waren auch zu schreiben, was bei mir in Nürnberg geschah, was wiederum nicht weit von Bayreuth ist. Also ging es mit Schuldrecht los. Studienmaterial kam, Einsendeaufgabe klappte auch und ich ging selbstbewusst in die Klausur. Ich kannte Jura und Schuldrecht ja schon, wird also schon klappen. Hat auch geklappt, aber nur mit 51%. Hui, das Niveau hat keinen Unterschied zum Jurastudium im Examensmodus. Herr Prof. Dr. Kahl M.A., sie sprachen riesiges Unrecht!
Vor den WiWi Modulen hatte ich Angst, also habe ich die, prokrastinationsanfällig (= anfällig für Aufschieberei) wie ich bin, erst mal nach hinten geschoben. durch Verwaltungsrecht bin ich erst mal durchgefallen und machte eine tolle Erfahrung. Ich merkte, dass ich mich selbst schlecht vorbereitet hatte. Klingt trivial aber ich fand die Erfahrung gut, dass es meinem Einfluss unterliegt, ob ich eine Prüfung bestehe oder nicht.
Es sei hier angemerkt, dass ich eigentlich sehr unter Prüfungsangst leide. Schweißausbruch, Rebellion in der Magengegend, bis hin zu Kreislaufproblemen; das ist mir alles bekannt.
Leider wurde mein Gefühl, Leistung gewollt abrufen zu können, durch ein Modul massiv gestört: BGB IV, Zivilprozessrecht. Nach dem ersten Versuch war ich völlig baff, was da denn wohl gefragt war. Durchfallquote 75 % (Prof. Dr. Sachsen-Gessaphe), mich hatte es auch erwischt. Na gut, zweiter Versuch: Durchfallquote 67% (Prof. Dr. Kubis), mich hatte es wieder erwischt. Sollte ich doch zu doof sein für dieses Studium. Meine Leistungen waren nie sooo überragend. Hin und wieder mal 2,0 oder 2,7, vieles im 3er-Bereich, drei Mal 4,0. Eigentlich dachte ich mittlerweile, dass Jura schon irgendwie was für mich ist aber Zivilprozessrecht hatte mich arg zweifeln lassen. Na gut dritter Versuch, zur Not muss die Anrechnungsklausel greifen und alles andere muss bestanden werden, obschon ich mir lieber IPR hätte anrechnen lassen wollen. Der dritte Versuch war von der Klausur her Einfacher, ich glaube nur 45% Durchfallquote und ich habe mit 2,7 bestanden. Da habe ich geheult, denn ich habe gehörig an mir selbst gezweifelt.
Ok, die Hürde war genommen! Aber der nächste Schrecken wartete schon: WiWi. Eigentlich war mir das alles nicht fremd, denn ich wurde immer –schulisch- kaufmännisch ausgebildet. Der mathematische Anspruch flößte mir jedoch einen großen Schrecken ein.
- Einführung in die WiWi. Furchtbares Skript und natürlich den ersten Versuch vergeigt. Immerhin mit 37 %, was für mich bedeutete, dass ich nicht ganz unwissend sein konnte, denn es fehlten nur 13%-Punkte zum Bestehen. Das Problem hatte sich später durch den Neuen Studienplan für dieses Modul erledigt.
- Externes ReWe: Modul OK, Skript auch gut, das kann man schaffen! Aus reiner Dumm- und Faulheit brauchte ich zwei Versuche.
- Internes ReWe: Mit 49% nicht bestanden. Oh Mann, ärgerlich, das Modul kann man echt packen. Aber egal, ich wollte es nicht noch mal machen müssen. Und da ich Investition und Finanzierung nach machen musste, dachte ich mir, ich könnte ja auf die Ausgleichsregelung in § 16 Abs. 1 Studienordnung zurückgreifen.
- Investition und Finanzierung: Hier brauchte ich auch den zweiten Versuch. Als ich es aber geschaffte hatte, war ich sehr stolz auf mich. Ich war in Mathe nie wirklich gut aber ich habe mich hier durchgebissen und es geschafft. Somit hatte ich mehr als 150 Punkte und ich wollte auch keine Klausur mehr schreiben.
Das Studium neigte sich dem Ende und mein Chef entwickelte langsam ein Interesse dafür, wie ich den wohl vorankomme. Das war etwas, was ich eigentlich immer verhindern wollte:
Ich finanziere mich selbst, also darf auch niemand fragen, wie mein Studium läuft. (Meine Eltern schon gar nicht.) Mein Chef hat aber die komische Eigenart, die Schwächen eines Menschen zu kennen und sie offen zu legen, was ein schmerzhafter Prozess sein kann, zumal mir ja meine Schwächen bekannt waren. Aber ich wusste er macht es, weil er mich intensiver ins Unternehmen einbinden wollte. Dennoch war es eine Art Druck für mich, den ich nicht mochte. Na gut, was blieb mir übrig?
Im Wahlbereich habe ich die beiden Unternehmensrechts-Module genommen. Das war sehr interessant. Was wirklich furchtbar war, war Personalführung. Dieses Modul war/ist einfach nur lausig. Genommen habe ich es, um einerseits nichts mit Mathe am Hut zu haben und um andererseits vielleicht etwas Interessantes zu lernen. Pustekuchen! Die BWL an sich ist ja gerne mal eine Ansammlung aus Erkenntnissen anderer Wissenschaften, Personalführung ist es ganz stark. Die Kritik findet sich sogar im Skript selbst wider, wenn es heißt, dass der Personalführung eine Art Operationalisierung zukommt, was so viel heißt wie: Die Personalführung fasst bekanntes in anderen/praktischen Worten zusammen. Die Klausur ist auch lausig, denn es ist ein bloßes Auswendiglernen und Rätselraten, welches Bildchen in der Klausur wohl erklärt werden muss. Dies war das einzige Modul, dass mir wirklich inhaltlich zuwider. Ok, Klausurmit 36 Punkten vergeigt, aber es reichte, um im Wahlmodul auf 150 Punkte zu kommen.
Wenn ich das so anrechnen lassen wollte, musste ich alle Hauptmodule bestehen! Da war noch IPR. Versuch 1 und 2 nicht richtig auf die Reihe bekommen. Beides mal 40%. Ärgerlich! Verdammt, der dritte Versuch muss her und wenn der daneben geht, dann musst du Personalführung doch bestehen. Na gut, also Klausuren üben, und lernen. Internationales Prozessrecht klammerte ich mal aus, das hat er noch nie gebracht, das wäre auch irgendwie echt gemein.
Der dritte Versuch: Internationales Prozessrecht! Ach du scheiße. Na da ging mir der Arsch auf Grundeis! Ok, cool bleiben, schau mal was du machen kannst. Du hast Jura studiert, jetzt musste mal mit einem unbekannten Gesetz arbeiten. Also geschrieben und geschrieben und auch was im Gesetz gefunden. Ob das alles so passt. Ich mein, mir war hinlänglich bekannt, dass die Klausuren von Prof. Dr. von Sachsen-Gessaphe gestellt wurden und der lässt gern mal ne Menge Studenten über die Klinge gehen. Neun Seiten waren geschrieben, dann Abgabe. Puh, was war das denn? Zu Hause habe ich dann etwas getan, was ich sonst nie getan habe, ich habe mich mit dem Fall noch mal beschäftigt.
Ach du Schreck: Ich bin ja einmal völlig falsch abgebogen bei der Prüfung. Oh jeh ein herber Schnitzer. Personalführung ich komme!!! Ich kann/konnte immer ziemlich gut sagen, wenn eine Klausur bestanden oder nicht bestanden war. IPR war so eine Klausur, wo ich mir gesagt habe, dass ich sie nicht bestanden habe, da der Fehler, den ich fand echt saftig war, daran gab es nichts zu deuteln. Hm na gut, muss man mit klar kommen.
Es sollte anders kommen: Hin und wieder schaut man ja online nach den Ergebnissen und an einem Tag, ich traute meinen Augen kaum, stand da: IPR 53 %. Oh Mann, was für eine Freude! Mit einem inhaltlich fremden Gesetzestext in der Klausur umgehen, weil man auf Lücke gesetzt hat und dann noch bestehen: Vielleicht bin ich doch nicht ganz falsch in diesem Studium. Dies waren meine Gedanken nach der letzten Klausur.
Puh, das schlimmste war geschafft. Nun noch Seminar und Bachelorarbeit. Ein Kommilitone, den ich sehr schätze, empfahl mir Kubis. Hm naja, seine Klausuren sind ja nicht so die Freude aber das Seminar ging über Wettbewerbsrecht, das interessierte mich. Also ok, Es ging um den § 3a UWG und Marktverhaltensregelungen. Das klingt spannend und da ich gern mal allgemein und grundsätzlich denke, könnte mir das Thema wohl liegen. Das Thema habe ich bekommen, Frau Wichering vom Lehrstuhl hat die Studenten betreut, wenn man das wollte. Ich habe Ihr mal meine Gliederung der Seminararbeit zugeschickt. Ein ziemlicher Ritt durch die Geschichte der Marktzutrittsregelungen und die Entwicklung des Rechtsburchtatbestandes. Schreiben kann ich, dachte ich mir, insofern ist bei Seminar- und Bachelorarbeit sicherlich was raus zu holen. Frau Wichering wies dann noch auf die jüngsten Gesetzesänderungen hin, die wichtig wären. Die Betreuung war echt angenehm vom Lehrstuhl. Natürlich bekommt man nicht gesagt, ob die Gliederung nun richtig oder falsch sei aber grobe Fehlleitungen werden sicherlich verhindert.
Die Seminararbeit war also geschrieben und abgegeben. Ich muss dazu sagen, dass ich mich soo eng an die Formvorgaben des Lehrstuhls gehalten habe. Mir geht nicht ein, warum ein Korrekturrand links sein sollte. Ich kannte da aus den Bayreuther Zeiten einfach einfachere, praktischere Standards und dort habe ich in meiner Seminararbeit immerhin 10 Punkte geholt. Auch wollte mir nicht so recht eingehen warum man nun einen bestimmten Teil in der Zitation kursiv schreiben müsste. Kurzum, da war ich ein wenig ignorant und wohl auch überheblich, so ehrlich muss ich wohl sein. Später mehr.
Vor dem Seminartermin wurden alle Arbeiten verteilt und man kann mal lesen, was die anderen so geschrieben haben. Bei uns waren relativ viele Teilnehmer dabei. Das Seminar mit dem Lehrstuhl Kubis (Prof und Mitarbeiter) war sehr angenehm Getränke und Kekse gab es immer und die Reihenfolge der Seminarvorträge stand vorher fest. Man hält also einen halbstündigen Vortrag und danach gibt es Fragen vom Prof und den Mitarbeitern. Die Fragen von Prof. Kubis wurden zumeist als sehr anspruchsvoll empfunden. Das waren sie auch, aber er hat das nie böse gemeint. Alle Teilnehmer sollten mitreden, denn das Mitreden floss ja in die Benotung mit ein. Die Stimmung im Seminar war toll und Kollegial. Die Kommilitonen waren alle total nett (wie ich das übrigens immer bei Seminaren empfunden habe) und man hatte ein tolles Gemeinschaftsgefühl. So gingen drei Tage Seminar schnell rum. Teilweise waren die Diskussionen sehr intensiv aber fachlich immer auf einem tollen Niveau. Ich mochte das sehr, auch wenn ich verstehen kann, dass das nicht jedermanns Sache ist.
Am letzten Tag gab es dann die Seminarnoten. Alles über 3,0 fand ich gut und in meiner Vorstellung auch angemessen. Man wird nacheinander rein gebeten zu den Lehrstuhlmitarbeitern und Prof und bekommt eine Bewertung. „Wir bewerten Ihre Arbeit mit 3,0“… Bums, das habe ich so nicht erwartet. Ich hatte mich besser eingeschätzt und diese Bewertung hat irgendwie geschmerzt.
Es wurde kritisiert, dass mein historischer Abriss unnötig war und ich mich besser mal an einem wesentlichen Urteil abgearbeitet hätte. Meine Sprache sei zu kompliziert und auf die Formalia habe ich auch nicht geachtet. Hm, na gut, ok. Zerknirscht bin ich Heim gefahren. „Na komm Stephan“, sagte ich mir, „3,0 ist so schlecht nun auch nicht“. Ich denke, im Wesentlichen ist die Kritik berechtigt gewesen, was Formalie und Sprache angeht. Ja, ich weiß, ich neige zu Bandwurmsätzen, ich habe ein Faible für „;“ und „:“ und manchmal schreibe ich kompliziert, da ich es liebe, komplizierte Gedanken zu wälzen. Nur die Kritik mit dem unnötigen historischen Teil fand ich nicht ganz gut, denn einerseits ist es nicht abwegig, ein solches Thema historisch aufzuarbeiten, andererseits wies mich Frau Wichering explizit auf die Gesetzesänderungen der Vergangenheit hin. So kam mein Schwerpunkt in der Arbeit zu Stande. Aber ok, selbstkritisch bleiben. Die Kritik wurde vom Lehrstuhl sehr ordentlich artikuliert.
Während des Seminars wählt man sich auch ein Bachelorarbeitsthema aus. Ich wollte eigentlich „Eigentum an Daten“. Spannende Sache, zumal ich viel im Bereich Datenschutz unterwegs bin. Aber Prof. Kubis meinte, dass ich da wieder zu allgemein denken würde und ich solle doch lieber etwas Konkreteres nehmen.
Also wurde es „Die Tagesschau-App unter wettbewerbsrechtlicher Betrachtung“.
Diesmal habe ich auf die Form besser geachtet und ca. 45 Seiten geschrieben. Ich war richtig stolz, dass ich 14 Tage vor Abgabetermin fertig war und abgegeben hatte.
Wow, nun war es wirklich geschafft. Es gab nun nichts mehr zu tun. Ich kannte dieses Gefühl schon von bayreuther Zeiten, wenn man eine Hausarbeit abgegeben hatte. Die Stimmung war danach nicht immer gut, denn man viel in ein Loch, eine Leere. Es war mit der Bachelorarbeit nicht ganz so schlimm. Es ist ja nicht so, dass ich sonst nichts zu tun hätte, zumal ich ja noch große Pläne hatte/habe.
Ok, die Bachelorarbeit war gebunden und abgegeben, die Bestätigung über den korrekten Eingang kam vom Prüfungsamt, nun hieß es warten. Das ging ganz gut, denn wie schon erwähnt, habe ich eigentlich immer viel zu tun.
Am 20.07.2017 schaute ich dann, wie schon öfters, einige Tage vorher, in das Prüfungsportal und schwubs, da stand es: Bachelorarbeit bestanden. Das ist gut! Mit 3,3. Das hat mir nicht gefallen. Gleich wohl war ich nicht soo sehr enttäuscht. Ich wusste, dass ich nicht viel mehr Motivation aus dem Seminar in die BA genommen habe. Ich fand mein Thema zwar gut aber es wurde mir irgendwann egal, da ich es als oktroyiert empfand. Nichtsdestoweniger habe ich an die Formvorschriften gehalten und es diesmal wirklich versucht, es besser zu machen. Das war mir nicht gelungen. Na gut, rum is rum.
Einen Tag später kam dann das Erst- und Zweitgutachten. Hui, was die für ne Arbeit mit so einer Bachelorarbeit haben: 5 Seiten Erstgutachten von Prof. Dr. Kubis! In dem Gutachten wird dezidiert bewertet:
- Ist die Gliederung stimmig und konsistent?
- Wurde die Form eingehalten? (Abkürzungsverzeichnis, Quellenverzeichnis, aktuellsten Werke, etc.)
- Hat man genug Quellen verwendet?
- Wie ist Grammatik, Ausdruck und Wortwahl?
- Wie werden die einzelnen Punkte abgehandelt?
- Wie zitiert man, wie ist die zitierdichte?
- Subsumiert man korrekt?
- Was ist der Erwartungshorizont zum Thema?
- Usw.
Die Arbeit wird also ganz schön durch die Mangel gedreht und da im Gutachten immer auf den Verfasser eingegangen wird, hat man das Gefühl, selbst durch die Mangel gedreht zu werden. Das ist, wenn man eine 3,3 bekommt, nicht angenehm und man ist geneigt nun in Zorntiraden zu verfallen, insbesondere, wenn einem eine gekünstelte Sprache angekreidet wird. Ich weiß sehr wohl, dass meine Sprache, mein Ausdruck mitunter antiquiert wirken mag; was aber gekünstelt ist und was nicht, das lässt sich m.M.n nur schwer aus einer BA lesen. Auch ist für den Lehrstuhl Kubis Wikipedia nicht zitierfähig. Nun, damit hat sich Frau Prof. von Schliefen intensiver auseinander gesetzt. Nicht, dass ich dauernd aus Wikipedia zitiert hätte! Genau genommen einmal, wo es schlicht um die Aussage ging, dass Einschaltquoten wie eine Art Währung sind. Letztlich kommt auch das Gutachten nicht ohne Rechtschreibfehler aus.
Aber darum kann es ehrlicherweise nicht gehen. Selbstkritik ist angesagt und letztlich der wesentlichste Prozess, der zu Verbesserung des Selbst beiträgt. Sicherlich war in bei der BA nicht mehr so wirklich motiviert. Das ist mein Fehler, denn für meine Motivation bin ich allein zuständig. Sprachlich stolpere ich manchmal über meine Gedanken und naja Grammatik ist sicher nicht immer meine Stärke.
Ich habe meine Arbeit keinem Freund zur Korrektur gegeben, obschon das möglich gewesen wäre. War das ein Fehler? Vermutlich schon. Ob sich inhaltlich etwas gebessert hätte, ich glaube nicht, dafür ist das Thema zu speziell.
Ich bin mit mir, mit der Arbeit und meiner vermutlichen Bachelor-Note von 3,0 im reinen. (Ist übrigens auch mein Abiturschnitt.) Was ist diese 3,0? Ist man ein mittelmäßiger Jurist? Ist man überhaupt mittelmäßig bei 3,0? Natürlich setze ich mich dem Verdacht aus, dass jeder Rechtfertigungsversuch reines Schönreden ist. Das will ich nicht. Kein Mangel sei geleugnet. (Nur das mit der Sprache hat mich, als Lyriker, etwas verletzt 😉
Gleichzeitig sehe ich jetzt, nach 11 Jahren, Leben und Studium, das ganze etwas differenzierter. Sicherlich ist die Note ein Schlüssel, um eine Tür zu einen bestimmten Weg zu öffnen. Gleichwohl weiß ich aber, dass keine noch so gute Note über persönliche Mängel (Überheblichkeit, Arroganz, Egozentrik, usw.) lange hinwegtäuschen kann. Auch bin ich fern davon, der Ratio „Gute Noten = viel können“ blind zu folgen. Ich habe Menschen durchfallen sehen, die ohne Zweifel klasse Juristen geworden wären. Ich habe Menschen tolle Noten schreiben sehen, die ich für relativ untauglich halte. Aber das sind alles Externa.
Wo bin ich nun nach dieser Zeit? Ich bin und bleibe jemand, der die Wissenschaft mag. Vielleicht liegt mir die Form nicht so gut, das ist bestimmt ein Punkt, an dem ich arbeiten muss. Das Grübeln und Überlegen, das Abwägen und Erkunden, das liegt mir jedoch, das treibt mich an. Aber macht man das im Studium? Sehr wenig. Woher kommt also der wissenschaftliche Stil einer BA?
Gegen Ende des Studiums habe ich so etwas vernommen, wie den Geruch von Freiheit. Ich wusste ja, dass alle Welt (Mama, Papa, Oma, Tante, Chef, usw.) darauf warteten, dass ich endlich sagen würde: „Ich bin fertig!“ Gegen Ende meines Studiums hat sich das Verhältnis zu meinen Eltern entspannt. Zwischenzeitlich habe ich Ihnen verboten mich in Bayreuth zu besuchen. Ich wollte nicht dabei gestört werden, Mantra 1 zu beenden und ich wollte auch nicht danach gefragt werden oder erklären müssen, warum denn alles so lange dauert. Nun ist alles fertig. Ein Bachelorabschluss nach 11 Jahren. Andere Menschen werden in dieser Zeit promoviert, wenn nicht sogar habilitiert.
Ich habe in dieser Zeit:
- Zwei Fachartikel veröffentlichen dürfen
- Eine Rucksackreise auf eigene Faust durch Kuba gemacht
- Eine große Ausstellung (130.000 Euro kosten) kuratiert
- Ein Unternehmen gegründet, dass andere Unternehmen in Sachen Datenschutz berät und weltweit Tätig ist
- Regelmäßig Unterricht an zwei IHKs im Bereich Datenschutzrecht gegeben (mach ich immer noch)
- Mich in einem Unternehmen hochgearbeitet
- Die Frau meines Lebens gefunden (gaaaaaanz wichtig)
- Eine wundervolle Hochzeit/Hochzeitsreise gehabt
- Mir mein erstes Auto selbst finanziert
- Mein Studium beendet
- Eine eigene Privatbibliothek von ca. 1200 Bänden aufgebaut (stetig wachsend)
- Usw.
Keiner dieser Punkte dient dazu anzugeben. Aber hin und wieder sollte sich jeder von uns klar werden, was er/sie schon alles erreicht hat und sich nicht schämen stolz auf sich zu sein. Ich bin zufrieden, wie sich alles entwickelt hat. Es sah nicht immer alles rosig aus und ich kenne Menschen, denen es ähnlich ging wie mir und die die falschen Entscheidungen getroffen haben. Wer weiß schon apriori, was richtig ist?
Du lieber Leser kennst nun mein Studium und wie sich alles so entwickelt hat. Und wenn ich etwas weiter oben von Freiheit sprach, die ich begann zu wittern, dann meine ich damit die Freiheit endlich nichts mehr beweisen zu müssen und endlich studieren zu können, was ich will.
Den LL.M. werde ich in Hagen nicht machen, dafür ist er mir zu uninspiriert und irgendwie nur ein verschärfter Bachelor. Ich werde mir vermutlich das Hagener Managementstudium ansehen und, und das ist viel wichtiger, ich werde in Hagen den Master in Philosophie angehen, ich will noch Politikwissenschaften und Kulturwissenschaften studieren. Soziologie finde ich auch interessant und den LL.M. mache ich evtl. noch an der TU Kaiserslautern (auch Fernstudium). Ab jetzt studiere ich aus Spaß und Freude, denn keiner wartet mehr auf einen Abschluss. Und ich studiere, weil ich eh noch so viel wissen will.
Hier schließt sich der Kreis mit dem Zeitpunkt vor einigen Jahren, als ich merkte, dass man mich um Wissen betrogen hat. Das hole ich jetzt nach. Und weil es eine praktische Gliederung ist, gebe ich mir das Wissen in Form eines Studiums.
Lieber Leser, liebe Leserin:
Ich hoffe, Du konntest etwas für das Studium mitnehmen und ich konnte Dir etwas geben. Sei bei der Bewertung des Textes nicht so streng wie Prof. Dr. Kubis 😉 (er ist menschlich wirklich voll in Ordnung). Hab Freude an allem!
Ich wünsch Dir das Beste!
Stephan
PS: Daumen drücken, dass mit meinen Unterlagen alles passt und ich bald die Abschlussurkunde in den Händen halte! Ich bin bei sowas immer in Sorge, dass noch irgendwas is.