Lösungsversuch zu Fall 33
studjur schrieb:
Fall 33: Frau V arbeitet als Verkäuferin beim Möbelhaus M-GmbH. Sie verkauft sehr wenig und flirtet oft mit Kunden, was den Filialleiter F eines Tages so verärgert, daß er ihr kurzum erklärt, sie brauche "ab dem nächsten Ersten nicht mehr zu erscheinen". Gleichzeitig übergibt er ihr einen entsprechenden Kündigungsbrief auf einem Briefbogen der M-GmbH. Den zuständigen Personalchef P hat F zuvor nicht informiert, weil er sich dessen Einverständnis sicher glaubte.
Frau V verwahrt sich jedoch gegen F und erklärt ihm, das sei ja wohl nicht seine Angelegenheit. Am nächsten Tag informiert F den P, der wie erwartet dem F gegenüber sein Einverständnis mit der Kündigung erklärt.
Ist die Kündigung wirksam ?
Die Kündigung müßte wirksam erklärt worden sein.
Fraglich ist, ob die mündlich erklärte Kündigung wirksam wurde. Nach § 623 BGB bedarf die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die mündliche erklärte Kündigung konnte demnach nicht wirksam werden.
In Betracht kommt jedoch der Kündigungsbrief, der dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB genügt. F könnte mit dem Kündigungsbrief eine Kündigung erklärt haben, die gem. § 164 I BGB für die M-GmbH wirken könnte.
Aus dem Gesetz ergeben sich keine Gründe, die Stellvertretung bei einer Kündigungserklärung ausschließen würden.
F müßte zunächst als Vertreter aufgetreten sein. Nach § 164 I S 2 2. Hs genügt es, daß die Umstände ergeben, daß die Erklärung nicht im eigenen, sondern im fremden Namen erfolgen soll. Maßgeblich ist dabei, wie ein unvoreingenommener Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, § 242 BGB, die Erklärung verstehen durfte. Die Kündigung war "auf einem Briefbogen der M-GmbH" abgedruckt und erfolgte demnach ersichtlich im Namen der M-GmbH. F trat als Vertreter auf.
Weiterhin müßte F eine eigene Erklärung abgegeben und nicht etwa nur eine fremde Erklärung als Bote übermittelt haben. F sprach die Kündigung, nachdem er von der schlechten Arbeitsmoral der V erfuhr (häufiges Flirten, schlechte Verkaufszahlen) aufgrund eigener Willensbildung aus und überbrachte nicht lediglich die bereits vorgefertigte Erklärung eines Dritten. F gab eine eigene Erklärung ab.
Außerdem müßte F Vertretungsmacht zur Kündigung gehabt haben. In der M-GmbH ist jedoch nur der Personalchef für Kündigungen "zuständig", also bevollmächtigt. F war nicht bevollmächtigt und hatte auch keine gesetzliche Vertretungsmacht.
F erklärte die Kündigung demnach als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
Dies könnte jedoch nach § 180 Seite 1 grundsätzlich unzulässig sein. Dazu müßte es sich bei einer Kündigung um ein einseitiges Rechtsgeschäft handeln. Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Deshalb war die erfolgte Kündigung ohne Vertretungsmacht grundsätzlich unzulässig.
Dies würde nur dann nicht gelten, wenn ein Ausnahmefall des § 180 Seite 2 vorläge. Dazu müßte die Kündigung zunächst gegenüber V vorzunehmen gewesen sein. Bei der Kündigung ist der andere Teil Erklärungsgegner, Vertragsparteien sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Die Kündigung war also gegenüber V vorzunehmen.
Weiterhin müßte V nach § 180 Seite 2 die Vertretungsmacht des F, die er behauptete, nicht beanstandet haben. V erklärte jedoch gegenüber F, "das [die Kündigung] sei ja wohl nicht seine Angelegenheit", womit sie beanstandete, daß F überhaupt keine Vertretungsmacht zur Kündigung hatte. V war demnach auch nicht mit der Vornahme der Kündigung durch F ohne Vertretungsmacht einverstanden. Es liegt kein Ausnahmefall gem. § 180 Seite 2 vor.
Demnach tritt die Rechtsfolge des § 180 Seite 1 ein. Die Kündigung ohne Vertretungsmacht war unzulässig, die Kündigung ist unwirksam.
(Erläuterung: Daß P am nächsten Tag der Kündigung zustimmt, ist unerheblich, da § 177 I lediglich auf Verträge anwendbar ist, nicht jedoch auf einseitige Willenserklärungen.)
Wer möchte an dieser Lösung Kritik üben - wie würde sie in der Klausur BGB I bewertet ?
Wer möchte einen eigenen Lösungsvorschlag schreiben ?
Schöne Grüße, Markus