Willenserklärungen eines Inhaftierten

Dr Franke Ghostwriter
ich bearbeite gerade einen Fall, bei dem ein Inhaftierter vom Knast aus eine Willenserklärung abgibt (er will einen Kaufvertrag anfechten und verlangt vom Besitzer Herausgabe seines Eigentums).

Ist ein Inhaftierter voll geschäftsfähig oder gibt es im Knast eine Art (Zwangs-) Betreuung im rechtsgeschäftlichen Bereich?

Schöne Grüße, Markus
 
Eliza schrieb:
Antwort aus dem Bauch heraus:
Geschäftsfähigkeit verliert man nicht im Gefängnis !!

Ok, dankeschön Eliza

Das würde meinem eigenen Bauchgefühl somit widersprechen, wobei ich mir - ohne es tatsächlich zu wissen - beides gefühlsmäßig vorstellen könnte, denn durch die Verurteilung zur Gefängnisstrafe verliert man ja auch die Freiheit, weshalb also nicht auch die volle Geschäftsfähigkeit zugunsten des Vorbehalts der Einwilligung eines Betreuers - wäre doch rechtspolitisch mal eine Überlegung wert ?
 
Das einzige, was in Richtung Verlust der Geschäftsfähigkeit geht, ist der zeitweilige Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (z.B. passives Wahlrecht) bei bestimmten Delikten (Volksverhetzung). Da verliert man sozusagen die "staatsrechtliche Geschäftsfähigkeit". Du wirst das noch kennenlernen, wenn Du Dich mit dem Modul Verfassungs- und Europarecht beschäftigst.

Gruß

Lewhellyen
 
Du verlierst im Gefängnis im Regelfall nur die körperliche Handlungsfähigkeit, nicht jedoch die Geschäftsfähigkeit.
Kurioser Vorfall (wahr!): Eine Gesellschafterversammlung einer GmbH mußte einst im Gefängnis abgehalten werden, weil einer der Hauptgesellschafter inhaftiert war.
 
Rechte von Gefangenen

Hallo Markus,

grundsätzlich verliert jemand, der inhaftiert wird, nicht seine Geschäftsfähigkeit. Diese wird jedoch durch das StrafvollzugsGesetz (StVollzG) eingegrenzt. Zum Beispiel für den Kauf (Einkauf), § 22 StVollzG. Da ein Strafgefangener eine Sonderstellung in der Gesellschaft hat, ist das BGB nicht unbegrenzt anwendbar. Für den Strafgefangenen gilt in erster Linie das StrafvollzG. Wie es nun bei einer Anfechtung aussieht, kann ich nicht genau sagen. Ich denke, dass der Strafgefangene nicht selber anfechten kann, dass er dieses über einen Stellvertreter machen muss wie z.B. seinen Anwalt.

Hoffe, dass ich dir weiterhelfen konnte,

Gruß Jeannette
 
Jeanni schrieb:
Ich denke, dass der Strafgefangene nicht selber anfechten kann, dass er dieses über einen Stellvertreter machen muss wie z.B. seinen Anwalt.
Warum sollte ein z.B. wegen Körperverletzung/Diebstahls Inhaftierter nicht eine schriftliche (wirksame) Anfechtungserklärung an einen Vertragspartner schicken dürfen? Das fände ich aber schon arg bedenklich. Ich sehe keinerlei Vorschriften, die bei einer Inhaftierung per se zum Verlust oder zur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit führen könnten.

Gruß
Steffi
 
Vielen Dank allen für die hilfreichen Antworten,

zusammenfassend kann man wohl sagen, daß die Geschäftsfähigkeit rein theoretisch durch eine Inhaftierung nicht berührt ist. Nach einem kurzen Blick ins StVollzG scheint mir, daß praktisch wohl eine Kommunikation mit der Außenwelt im Vergleich zu einem freien Bürger etwas erschwert sein wird, da die Haftanstalt Post- und Briefverkehr überwachen und in bestimmten Fällen auch anhalten oder unterbinden kann, doch das hat ja nichts mit der Geschäftsfähigkeit im juristischen Sinn zu tun.

Nachdem in dem "kuriosen Fall" der Inhaftierte sogar seine Rechte und Pflichten bei der "geschlossenen" Gesellschafterversammlung wahrnehmen durfte, wird der Inhaftierte in meinem Fall dann wohl auch anfechten dürfen und können.

@Jeannette möchte ich noch ergänzen, daß ich nur nachvollziehen konnte, daß im StVollzG in § 196 die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person und das Brief- Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt sind. Kannst Du andere konkrete Normen nennen, die die "Anwendung des BGB" einschränken ?

@Eliza: Du schläfst nicht mit dem BGB unterm Kopfkissen ? Ok, ich habe nachgeschlagen - bei der "rechtlichen Betreuung" in den §§ 1896 ff. geht es natürlich nur um psychische Krankheit oder körperliche, geistige oder seelische Behinderung. Wenn der Inhaftierte die Kriterien erfüllt, dann ordnet das Vormundschaftsgericht die Betreuung an, ist kein Unterschied zum "freien" Bürger.

Schönen Dank, Markus
 
Markus,
ich will dir natürlich nichts falsches sagen, da im StVollzG nicht steht, dass das BGB nicht gilt oder ähnliches. Aber ich habe mal gelesen, dass bei Strafgefangenen eine Sonderregelung in diversen Punkten besteht. Ich kann jetzt leider nicht mehr nachvollziehen, wo ich das herhabe, sonst könnte ich dir genauere Angaben machen. Ist schon eine kniffelige Frage, denn einerseits denke ich auch, dass einer, der im Gefängnis sitzt seine Geschäftsfähigkeit nicht verliert, aber andererseits glaube ich auch nicht, dass er bezüglich seiner Geschäfte nicht kontrolliert wird und machen kann, was er will.
Naja ich hoffe du kommst mit deiner Aufgabe voran, falls ich noch etwas zu diesem Thema finde, dann werde ich es euch mitteilen, aber zu diesem Thema sieht es ziemlich mau aus.

Gruß Jeannette
 
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