Taschengeldparagraph

Dr Franke Ghostwriter
Hallo

ich habe da mal eine logische Frage wegen §§ 107, 110, 131 BGB. Vielleicht kann mir da jm. helfen.

J ist 15 Jahre und sein Taschengeld (50 Euro) steht ihm frei zur Verfügung.
J geht in den Laden und sagt, er möchte den MP3 Player für 50 Euro kaufen. (Der Verkäufer nimmt an).

Wenn ich jetzt nachträglich das Geschehen begutachte, sage ich doch, dass eine Sonderform der Einwilligung über § 110 vorliegt.

Aber ich prüfe erst das Angebot. Dabei ist die Verpflichtung noch nicht bewirkt und der § 110 kommt nicht in Betracht. Somit liegt nach § 107 keine Willenserklärung vor (bzw. schwebend unwirksam). Auch bei der Annahme des Verkäufers kommt ja dann ein Vertrag zustande. Diese Annahme wird nach § 131 I BGB ja erst mit dem Zugang bei den Eltern wirksam. Somit ist immer noch kein Vertrag geschlossen. Wenn jetzt der J das ganze bezahlt und die Ware übergeben ist, dann sind ja alle Verpflichtungen erfüllt. Damit wird dann die Willenserklärung nach § 110 wirksam. Ist dieses dann nicht mehr eine Genehmigung, als eine Einwilligung? (Aber man soricht ja immer davon, dass der § 110 eine Sonderform der Einwilligung sein).

LG
Benji
 
Benji,

beim Vertragsschluss wird zunächst die Einigung der Vertragspartner (hier Minderjähriger und Verkäufer) geprüft, also Angebot und Annahme als inhaltlich übereinstimmende, wirksame und auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärungen. Beachte hier, dass es der Zustimmung der Eltern zum Rechtsgeschäft (hier Vertrag) bedarf, aber nicht zu einer einzelnen Willenserklärung wie eine Angebotserklärung, die selber kein Rechtsgeschäft ist, sondern nur ein Teil davon. Das Angebot des Minderjährigen ist also nicht unwirksam, weil keine Einwilligung vorliegt (EDIT: Das ist falsch, siehe die folgenden zwei Einträge), sondern möglicherweise, weil die Erklärung nicht zugegangen ist oder bewußte Willensmängel nach §§ 116 - 118 BGB vorliegen (eben die üblichen Wirksamkeitshindernisse von Willenserklärungen).

Wenn eine wirksame Einigung vorliegt, dann wird die Frage gestellt, ob der Vertrag wirksam ist. Wirksamkeitshindernisse (= Nichtigkeitsgründe = rechtshindernde Einwendungen) sind z.B. Formmangel, Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, Sittenwidrigkeit, Wucher, Stellvertretungsmangel oder beschränkte Geschäftsfähigkeit. Hier ist dann zu prüfen, ob die Eltern zugestimmt haben (durch Einwilligung ausdrücklich oder konkludent über § 110 BGB oder durch Genehmigung).

Liebe Grüße
 
Chrissi

Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, da sich der § 107 ausdrücklich auf die Willenserklärung bezieht. Das Angebot, wie auch die Annahme sind Willenserklärungen. Und die Annahme wie im oben geschilderten Fall auch empfangsbedürftig. So dass ich doch folgendes habe: Das Angebot des Jugendlichen ist nicht wirksam (bzw. schwebend unwirksam) und die Annahme des Verkäufers nicht zugegangen.

Der § 110 bezieht sich auf einen Vertrag. D.h. hier muss der Vertrag geschlossen aber noch nicht wirksam sein. Dieser wird dann "von Anfang an wirksam", so dass dieses doch mehr auf eine Genehmigung als auf eine Einwilligung rausläuft.

Ich weiß nicht ob Du vielleicht mit der Klausur vom Wintersemester betreut bist. Aber dort war doch auch der Fall, dass das Angebot der Freundin unwirksam war genau zu dem Zeitpunkt als sie die Schuhe kaufen wollte. Jedoch geht der Schüler am Ende ja zum Laden und bewirkt alle Leistungen. Aber da zum Zeitpunkt als die Freundin in Vertretung des Schülers die Erklärung abgibt, keine Einwilligung vorlag, war das Geschäft nicht wirksam. Und da verstehe ich dann nicht, warum man hier nicht auch sagen kann, dass nach § 110 dann eine Einwilligung vorlag.

LG
Benji
 
Hi Chrissi

Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, da sich der § 107 ausdrücklich auf die Willenserklärung bezieht. Das Angebot, wie auch die Annahme sind Willenserklärungen. Und die Annahme wie im oben geschilderten Fall auch empfangsbedürftig. So dass ich doch folgendes habe: Das Angebot des Jugendlichen ist nicht wirksam (bzw. schwebend unwirksam)

Da hast Du recht und ich liege falsch! Die Angebotserklärung (Willenserklärung) des Jugendlichen begründet einen rechtlichen Nachteil und ist damit für ihre Wirksamkeit zustimmungsbedürftig. Der Prüfungsaufbau bleibt aber so. Zunächst wird die Einigung geprüft (aufeinander bezogene Willenserklärungen Angebot und Annahme), Abgabe, Zugang der Willenserklärungen und danach das Wirksamkeitserfordernis und Vorliegen der Zustimmung (hier durch konkludente Einwilligung § 110) für die Angebotserklärung.

"... J und der Verkäufer haben sich geeinigt. Die Erklärungen sind abgegeben und zugegangen. Möglichweise ist die Angebotserklärung von J aber unwirksam...minderjährig ... rechtlich nachteilig ... Zustimmung erforderlich § 107 ... Einwilligung erteilt im Sinne von § 110 ... Angebotserklärung ist wirksam... Leistung bewirkt § 110 (steht bei Dir nicht, nehme aber mal an, dass er gleich zahlt, weil das offenbar nicht das Problem sein soll)...keine weiteren Nichtigkeitsgründe ...Vertrag ist wirksam ..."

Dieser Fall ist völlig unproblematisch, quasi der Normalfall zum § 110 BGB.

Im Klausurfall kam der Stellvertretungsmangel hinzu.

Einverstanden?

Liebe Grüße
 
Erstmal vielen Dank. Lass mal kurz 3 Sachen trennen:

A) Ich gebe Dir vollkommen recht, dass es (wie du geschrieben hast) so gemacht wird und ich es in einer Klausur genau so machen würde. (Also Einigung und dann Einwilligung über § 110).

B) Meiner Meinung nach werden die Erklärungen und damit der Vertrag aber erst du Erfüllung wirksam. Der Vertrag ist schon vorher da. Daher ist § 110 eher eine Genehmigung (nicht der Eltern sondern vom Gesetz) als eine (vorherige) Zustimmung.

C) Als Anwendung bei der Klausur wird gesagt: S (als Minderjähriger) kann F (auch Minderjährig, jedoch wegen § 165 unbedeutend) keine Stellvertretung geben, weil diese (durch den Kaufvertrag den F abschließt) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft (§ 107). S bedürfe zur Vollmachtserteilung die Eltern. Soweit passt ja alles.
Aber warum ist hier die Vollmacht (und damit die Vertretung sowie der Kaufvertrag) nicht trotzdem wirksam über den § 110. Die Schuhe werden von dem Taschengeld, das frei zur Verfügung stand gekauft. Alle Verbindlichkeiten, sowohl gegenüber dem Verkäufer als auch die gegenüber der Freundin, sind erfüllt. Damit wird sowohl die Vollmacht wirksam, als auch der Kaufvertrag.
Oder liegt es daran, dass die Vollmachtserteilung eine einseitige Willenserklärung ist, und damit nur § 107 bzw. 108 zutreffen kann. Die Vollmacht ist kein Vertrag und § 110 kommt nicht in betracht?

Womit wir wieder bei der ursprünglichen Sache sind, dass Angebot und Annahme ja dann nur nachträglich über den Vertrag wirksam werden können. Was dann wohl eher eine Genehmigung als eine vorherige Einwilligung ist.

LG
Benji
 
Benji und Chrissi

Habt Ihr die Sache nicht etwas verkompliziert?
§ 110 BGB wird doch erst nach 107 geprüft. Der Prüfungsaufbau nach § 106 ff. BGB prüft 1) den lediglich rechtlichen Vorteil. Wenn der nicht gegeben ist, 2) die Einwilligung (!) des gesetzlichen Vertreters. Wenn diese nicht gegeben ist, dann 3) den § 110 als Taschengeldparagraphen, bevor wir 4) die ausdrückliche Genehmigung (!) des gesetzlichen Vertreters oder 5) das noch mögliche "anhaltende Schweben" prüfen.

§ 110 BGB ist zu prüfen, wenn keine Zustimmung (also weder Einwilligung noch Genehmigung, siehe Gesetzestext) bis hierher vorliegt und der Minderjährige aber einen Vertrag geschlossen haben könnte. Eine konkludente Einwilligung des gesetzlichen Vertreters könnte aber dennoch vorliegen, wenn nach § 110 BGB die Leistung mit Mitteln bewirkt worden ist (also ganz bezahlt wurde), die z.B. der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen zuvor z.B. als Taschengeld zur freien Verfügung überlassen hat. Somit hat der gesetzliche Vertreter jedem Taschengeldgeschäft im entsprechenden Rahmen im Zweifel konkludent im Voraus zugestimmt, oder?

Gruss, Justus
 
@ Chrissi: Das sehe ich anders: Weder Angebot noch Annahme sind wirksam: Angebot ist nach § 107 BGB zum Zeitpunkt der Abgabe und des Zugangs nicht wirksam weil keine Einwilligung vorliegt. Annahme nicht, weil diese nach § 131 I BGB erst mit Zugang bei dem gesetzlichen Vertreter wirksam wird. Jedoch bestimmt dann § 110 BGB dass der Vertrag wirksam ist, wenn Mittel zur freien Verfügung und alles bewirkt wurde. Somit werden erst mit der Bewirkung auch Angebot und Annahme wirksam.

@ Justus: Das Problem liegt wo ganz anders: Warum wird bei der Klausur des WS 2010/2011 die Vollmacht an die F nicht dadurch wirksam, dass S alle Verpflichtungen bewirkt hat. Die Wirksamkeit der Vollmacht wird dadurch abgeleht, dass F für S einen Kaufvertrag abschließt, der nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Würde S ihn direkt abschließen, wäre das aber auch der Fall und der Kaufvertrag wird erst wirksam, wenn alles bewirkt ist. Warum aber die Vollmacht nicht?

Würde man das ganze so sehen, würde es wohl mehr Sinn machen:
§ 110 ist ein Sonderfall der Genehmigung. Die Vollmacht kann nicht wirksam werden, da es ein einseitiges Rechtsgeschäft ist. Angebot und Annahme sind ebenfalls solange schwebend unwirksam, wie entweder die Eltern die Genehmigung erteilen oder eine Genehmigung über § 110 vorliegt. In beiden Fällen wird dann das Geschäft von Anfang an wirksam.

Ist aber aber der § 110 ein Sonderfall der Einwilligung, dann würde ja eine Einwilligung durch die Bewirkung auch für die Vollmacht vorliegen und somit wäre diese m.E. wirksam.

--> Mir ist schon klar, wir man es in einer Klausur machen sollte. Verstehe aber nicht, wo denn mein Logikfehler ist:
A) Warum sollen Angebot und Annahme wirksam sein, wenn das §§ 107, 131 I BGB genau anders bestimmen.
B) Warum soll die Vollmacht nicht auch über § 110 BGB wirksam werden?
 
Benji
Höre Dir den zweiten Teil der Musterlösung genau an: Vertrag zustande gekommen! Warum, weil er bewirkt (§ 110 BGB) wurde und sonst keine Einwendungen vorliegend sind!
Somit kann § 110 BGB nur ein Sonderfall der zuvor möglichen Einwilligung, § 107 BGB, sein.
Für den ersten Teil ist m.E. § 111 I BGB argumentativ erklärend, auch was die vermeintliche Vertretung angeht. Hier wurde auch nichts "bewirkt", um rechtlich vorteilhaft werden zu können, wenn es bis dahin schwebend gewesen sein sollte.

Gruss, Justus
 
Hallo Chrissi
Warum streichst Du denn Deine Beiträge wieder?

Gruss, Justus

Ich habe jetzt das Problem von Benji verstanden und da helfen meine Beiträge nicht. Benji bezweifelt, dass die Angebotserklärung des Jugendlichen über § 110 BGB wirksam werden konnte (konkludente Einwilligung), weil § 110 BGB auch dafür Bewirkung voraussetzt, die zum Zeitpunkt der Angebotserklärung aber nicht vorlag. Erst durch die Bewirkung ist das Angebot wirksam geworden. Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wie kann man bewirken, wenn es kein wirksames Angebot gibt, um mit der Bewirkung das Angebot wirksam werden zu lassen?

Meine Antwort: Die Angebotserklärung ist zunächst schwebend unwirksam. Damit wird zunächst ein schwebend unwirksamer Vertrag abgeschlossen. Durch die Bewirkung wird die Angebotserklärung und der Vertrag schließlich über § 110 BGB wirksam.

Liebe Grüße
 
Genau darauf baue ich auf, Justus: Was ist, wenn ich das ganze vom Ende aus sehe: Dort ist die Leistung bewirkt worden damit gibt es eine Einwilligung. Wenn es eine Einwilligung gibt, dann ist auch das einseitige Rechtsgeschäft möglich. D.h. damit wäre sowohl die Vertretung als auch der Kaufvertrag möglich gewesen.

Kannst Du meinem Gedankengang denn folgen? (S bewirkt Leistung am Ende --> § 110 --> Einwilligung --> auch Vollmacht möglich)

Und damit komme ich dazu, dass eine Willenserklärung nach § 107 ohne Einwilligung nicht (oder schwebend) wirksam ist. Somit bin ich bei Frage A), warum denn bei der Prüfung des Vertrages nun das Angebot wirksam sein soll, wenn § 107 BGB direkt sagt, dass "Der Minderjährige .. zu einer Willenserklärung ... der Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter" bedarf. Und wenn ihm die Annahmeerklärung zugeht, diese nach § 131 I BGB "nicht wirksam (ist), bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht". Warum soll dann ein wirksames Angebot und eine wirksame Annahme vorliegen, wenn ich genau den Zeitpunkt des Vertragsschlusses sehe.

Damit komme ich zu der Idee, dass § 110 BGB eher eine Genehmigung ist, welche den Schwebezustand auflöst. (Ich weiß, es findet man so nicht in einem Buch etc. - es geht ja nur um die Logik).

LG
Benji
 
@ Chrissi: Vielen Dank, genau damit habe ich Schwierigkeiten und kann es einfach nicht nachvollziehen. Ich weiß, es ist irgendwie schwer zu verstehen. Und ich gebe Dir und Justus bei allem praktischen Recht. Eine Prüfung würde bei mir genauso aussehen mit Angebot, Annahme, Einwilligung, Taschengeldparagraf und Genehmigung.

Und wenn ich über den § 110 BGB eine Einwilligung erreichen kann, dann auch so, dass ich einseitige Rechtsgeschäfte wirksam machen kann und damit auch eine Vollmacht.
 
und Benji

Aber ich verstehe es so, dass der 5. Punkt im Prüfungsschema sich erst mit dem "schwebend wirksamen/unwirksamen Vertrag" beschäftigt.
Wenn er nicht zwischenzeitlich bewirkt worden ist (§ 110), die Genehmigung nicht verweigert wurde (§ 108 II BGB) oder die Frist gemäss § 108 II 2 BGB nicht abgelaufen ist, bleibt er weiterhin schwebend! Das Schweben könnte nur anhalten, bis eine Genehmigung erfolgt (ex tunc), endgültig eine Genehmigung verweigert wird oder der andere Teil zwischenzeitlich widerruft.
Oder wie seht Ihr das?

Gruss, Justus
 
Meine Antwort: Die Angebotserklärung ist zunächst schwebend unwirksam. Damit wird zunächst ein schwebend unwirksamer Vertrag abgeschlossen. Durch die Bewirkung wird die Angebotserklärung und der Vertrag schließlich über § 110 BGB wirksam.

Genau so sehe ich das auch. - Das macht die Prüfung sehr angenehm und man kann kurz den § 131 BGB einbauen ohne dass man Probleme hat.

Das ist dann aber eher eine Genehigung. Dann würde das auch mit der Vollmacht passen, da diese als einseitiges Rechtsgeschäft nach § 111 nur durch Einwilligung wirksam werden kann. Jedoch führt der § 110 zu einer Einwilligung, dann müsste ja auch die Vollmacht wirksam werden. *Grübel*. - Bei sowas würde man sich doch mal über eine Präsenzuni freue, wo man einfach mal zu dem Betreuer gehen kann und fragen kann 🙂.
 
Müssten wir nicht etwas mehr WE und Vertrag gemäss Gesetzestext auseinanderhalten?
Kann eine WE zunächst schwebend unwirksam sein, wie Chrissi schreibt und Du jetzt meinst?
Nein, die WE muss hier im ersten Teil dem gesetzlichen Vertreter von S zugehen oder nicht, der genehmigen kann oder auch nicht, § 131 BGB. Bei uns geht dem gesetzlichen Vertreter gemäss Sachverhalt nichts zu, also keine wirksame WE! Da "schwebt" m.E. nichts!

Das "Schweben" hat m.E. nur etwas mit dem "wirksamen" V e r t r a g" (zwei wirksame WE liegen zB. vor, inklusive Zugang) zu tun, denn der (schwebende) Vertrag wird erst wirksam, wenn die Genehmigung des Vertreters erfolgt, § 108 BGB.
Auch das "Bewirken" hat nur etwas mit einem geschlossen V e r t r a g zu tun, der durch die vorherige Zustimmung durch Zweck oder freie Mittelzurverfügungstellung (Taschengeld) dann ex tunc wirksam wird, § 110 BGB. Also Sonderfall der Einwilligung nach § 107 BGB.
Mit anderen Worten: Das nicht wirksame Zugehen einer WE (bei uns die Annahme) kann dann auch keinen "schwebenden Vertrag" begründen! Und zudem kommt dann noch § 111 BGB bei uns vor, oder?
Nur § 110 BGB hätte bei uns im ersten Teil einen Vertrag entstehen lassen können, der aber nicht nachträglich bewirkt oder genehmigt wurde (Erklärung des Studenten, Vertretung), weil das Mädchen Vertreter ohne Vertretungsmacht war, oder?

Gruss, Justus
 
Müssten wir nicht etwas mehr WE und Vertrag gemäss Gesetzestext auseinanderhalten?
Kann eine WE zunächst schwebend unwirksam sein, wie Chrissi schreibt und Du jetzt meinst?
Nein, die WE muss hier im ersten Teil dem gesetzlichen Vertreter von S zugehen oder nicht, der genehmigen kann oder auch nicht, § 131 BGB. Bei uns geht dem gesetzlichen Vertreter gemäss Sachverhalt nichts zu, also keine wirksame WE! Da "schwebt" m.E. nichts!

In der Tat ist der Begriff "schwebend unwirksame Willenserklärung" problematisch.

Siehe z.B. hier: https://www.marco-wicklein.de/BGB-AT/Loesung_Fall_11.pdf

Auf der Seite steht:

An dieser Stelle steht man vor einem Aufbauproblem. Zwar bestimmt § 107 BGB, dass der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters bedarf. Daraus könnte man schließen, dass die Willenserklärung des Minderjährigen zu einem Vertrag schwebend unwirksam sein muss. Allerdings wird es in einigen Übungen als falsch angesehen, wenn man schreibt, dass die Willenserklärung schwebend unwirksam sei. Man solle danach schreiben, dass der Vertrag schwebend unwirksam sei. Begründen kann man dies damit, dass nach § 108 BGB die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters abhängt und damit nicht die Willenserklärung, sondern der Vertrag schwebend unwirksam ist! Das kann man zwar durchaus anders sehen, doch schreiben auch die üblichen Kommentare zum BGB von der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages und nicht der schwebenden Unwirksamkeit der Willenserklärung. Für den Klausuraufbau bedeutet dies, dass man zunächst § 107 BGB zu prüfen hat und danach fragt, ob die Willenserklärung einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Wenn dies der Fall ist und die Einwilligung nicht vorliegt, dann ist diese Willenserklärung des Minderjährigen unwirksam. Dies bedeutet dann gem. § 108 BGB eine schwebende Unwirksamkeit des Vertrages! Einseitige Rechtsgeschäfte sind hingegen gem. § 111 BGB grundsätzlich unwirksam!

Liebe Grüße
 
Ja, das bringt etwas mehr Licht ins Dunkel, wobei nicht unbestritten, wie Du selber ausführst. Ich meine hiermit, den Uebergang von einer unwirksamen WE des Minderjährigen in einen schwebenden Vertrag für den gesetzlichen Vertreter, §§ 107, 108 BGB. Aber besten Dank dafür!!!

Gruss, Justus
 
Chrissi hat ja mit ihrem Post bereits das erst Problem gelöst, danke!
Zusammengefasst: Angebot und Annahme sind unwirksam, aber der Vertrag dann nach § 108 BGB schwebend unwirksam. (Somit folgt das Deiner ursprünglichen Idee, Chrissi, nur damit, dass Angebot und Annahme unwirksam sind.)

Nach dem Beck'schen Kommentar zum BGB sagt in Rn. 12:

Ein vom Minderjährigen ohne konkrete Einwilligung des gesetzlichen Vertreters iSv § 107 BGB geschlossener Vertrag ist grds schwebend unwirksam (§ 108 Rn 4https://beck-online.beck.de.ub-proxy.fernuni-hagen.de/?typ=reference&y=400&w=BECKOK&g=BGB&p=108&rn=4). Das gilt zunächst auch für Verträge iSd Vorschrift; hat der Minderjährige die von ihm geschuldete Leistung allerdings mit ihm hierfür überlassenen Mitteln (Rn 4https://beck-online.beck.de.ub-proxy.fernuni-hagen.de/?typ=reference&y=400&w=BECKOK&g=BGB&p=110&rn=4 ff) vollständig erbracht, gelten sowohl das von ihm vorgenommene Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft ab diesem Zeitpunkt als von Anfang an wirksam


Somit passt das: Liegt also keine "wirkliche" Einwilligung i.S.d. § 107 BGB vor, ist der Vertrag immer schwebend unwirksam. Dieser kann dann durch Genehmigung (§ 108 BGB) beendet werden oder durch § 110 BGB. (*)

Dann habe ich noch folgendes zu § 111 BGB gefunden:

Auch die Vollmachterteilung durch einen Minderjährigen fällt unter den Anwendungsbereich der Vorschrift; und zwar unabhängig davon, ob die Vollmacht auf die Vornahme einer einseitigen Willenserklärung oder den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vollmachterteilung eine rechtliche Einheit mit einem genehmigungsfähigen Vertrag bildet; in diesem Fall nimmt die Vollmachterteilung an der Genehmigungsfähigkeit des Vertrages teil. Gleiches gilt für alle einseitigen Rechtsgeschäfte, die zugleich Bestandteil eines Vertrages zwischen dem Minderjährigen und einem Dritten sind; für diese Fälle gelten insgesamt - sowohl für den Vertrag als auch für das mit ihm verbundene einseitige Rechtsgeschäft - nur die §§ 108, 108 BGB. https://beck-online.beck.de.ub-proxy.fernuni-hagen.de/?typ=reference&y=100&g=BGB&p=108

Es scheint also so, dass § 110 bei einseitigen Rechtsgeschäften nie Anwendung findet. Sondern nur im Rahmen eines Vertrages. Jedoch wenn der Vertrag ein einseitiges Rechtsgeschäft enthält (man nehme einen Auftrag mit Vollmacht), dann kann dieses auch nicht über § 110 wirksam werden, sondern nur durch eine (wirkliche) Einwilligung oder eine Genehmigung.

(*) Was wieder bei meiner ursprünglichen Idee ist, dass wenn man den § 110 BGB als Genehmigung (durch Erfüllung) ansieht, beide Probleme erschlagen sind.
 
Benji

Habe noch etwas im Studienkommentar BGB von Jan Kropholler (11. Auflage, 2008) zur theoretischen Einordnung, ob der Taschengeldparagraph nun Einwilligung oder Genehmigung sein könnte, gefunden:

"§ 106. Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger
Rz 1
Prüfungsfolge (Wirksamkeit der WE eines beschränkt Geschäftsfähigen):
Rz 2
1. Ein rechtlich nur vorteilhaftes oder neutrales Geschäft (s § 107 Rz 1 ff) ist zustimmungsfrei. Sonst herrscht Zustimmungsbedürftigkeit, sei es durch Einwilligung oder Genehmigung.
2. Einwilligung. a) ausdrückliche oder konkludente Einwilligung für das konkrete Geschäft; b) generelle Einwilligung für einen beschränkten Kreis von Geschäften (s § 107 Rz 8); c) durch Überlassen von Mitteln (§ 110, "Taschengeldparagraph"), auch bzgl. geringwertiger Surrogate.
3. Genehmigung (§ 108). Ausgeschlossen bei vorherigem Widerruf des anderen Teils (§ 109); grundsätzlich unerheblich bei einseitigem Rechtsgeschäften (§ 111)."

"§ 107. Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Rz 8
1. Begriff.......Zum Sonderfall der Einwiligung durch Überlassen von Mitteln s. § 110."


"§ 110. Bewirken von Leistungen mit eigenen Mitteln
Rz 1
1. Die Vorschrift regelt einen besonderen Fall der Einwilligung; siehe zur generellen Einwilligung § 107 Rz 8. Eine generelle Einwilligung geht vor. Sie darf aber grundsätzlich nicht in der blossen Mittelüberlassung gesehen werden, vielmehr müssen weitere besondere Umstände hinzutreten; denn sonst würde § 110 unterlaufen, der die Wirksamkeit eines ohne ausdrückliche Einwilligung geschlossenen Verpflichtungsgeschäfts erst mit der vollständigen Erfüllung (ex tunc) eintreten lässt......."


Hieraus ist zu entnehmen, dass der schwebend unwirksame Vertrag entweder einer Einwilligung oder Genehmigung bedarf. Der "Taschengeldparagraph" ist hiernach eine, "die" Einwilligung, wie von Chrissi und mir behauptet, also eine Sonderform der Einwilligung durch Überlassen von Mitteln und keine Genehmigung durch Bewirken (Erfüllung), wie Du zu bedenken gibst.

Oder siehst Du es noch anders?

Gruss, Justus

P.S.: Benji, ich glaube, Chrissi ist männlich und nicht weiblich!
 
Justus

Wie gesagt, ich stimme mit euch beiden seit Anfang an überein, wie man es machen soll. Nur hatte ich die ganze Zeit nicht verstanden, warum denn ein einseitiges Rechtsgeschäft nicht möglich ist, wenn der § 110 eine Einwilligung ist. Aber da hast Du wohl genau den Punkt getroffen: Es ist eine SONDERFORM der Einwilligung. D.h. die Überlassung der Mittel ist eine konklundente Einwilligung, welche aber erst durch die Bewirkung wirksam wird. Man muss sich einfach merken, dass der § 110 bei einseitigen Erklärungen (wie sie auch § 111 BGB regelt) nie eine Anwendung findet.

--> Sonderform ist ungleich "wirkliche" Einwilligung.

Vielen Dank nochmal Euch beiden, vielleicht kann ich euch ach mal bei was helfen. 🙂

LG
Benji
 
--> Sonderform ist ungleich "wirkliche" Einwilligung.

Juristischer: Die Einwilligung nach § 110 BGB ist eine konkludente Willenserklärung im Unterschied zur ausdrücklichen. Die Eltern drücken ihre Zustimmung nicht schriftlich oder verbal (also ausdrücklich), sondern durch ihr Verhalten (also konkludent) aus, nämlich durch die Mittelüberlassung zu diesem Zweck. Diese Zustimmung (Mittelüberlassung zu diesem Zweck) passiert VOR der Vertragseinigung, es handelt sich also um die vorherige Zustimmung zum Vertrag, also um eine Einwilligung. Die Einwilligung (die Willenserklärung) ist also geäußert und wird mit Bewirkung wirksam.

Liebe Grüße
 
Auch wenn es langsam peinlich wird:

Kann ich den § 110 BGB denn auch bei Geschäftsunfähigen anwenden?

§ 104 I BGB sagt, dass ein Minderjähriger, der noch nicht sieben Jahre alt ist, Geschäftsunfähig ist. § 105 I BGB sagt, dass die Willenserklärung nichtig ist. Der § 110 BGB bezieht sich aber auf Minderjährige allgemein (und nicht auf beschränkt Geschäftsfähige).

Was passiert also mit dem 6 jährigen Kind, dass sich im Schwimmbad von dem Geld der Eltern, welches ihm zur freien Verfügung überlassen wurde, ein Eis kauft (es auch gleich bezahlt und abnimmt). Ist dort der § 110 anwendbar?

Wenn ich das richtig verstehe, ist der § 110 bei Geschäftsunfähigen nicht anwendbar, sondern die WE und der Vertrag immer nichtig, selbst wenn die Eltern zustimmen oder es genehmigen. (Fraglich, warum der § 110 dann nicht von beschränkt Geschäftsfähigen redet).
 
Benji
Irgendwo habe ich die Geschichte mit dem Eis und den Eltern als Differenzierung auch gelesen!
Aber die Lösung steht m.E. in §§ 104, 105 BGB: Die WE eines Geschäftsunfähigen (6-jährig) ist NICHTIG!
§ 107 BGB gilt für MINDERJÄHRIGE, also auch die Sonderform von § 107 BGB, den Taschengeldparagraph, § 110 BGB..

Gruss, Justus
 
Benji,
lass dich nicht (von dir selbst) verunsichern.
Mit §§ 104 bzw. 105 (1) ist es so wie du schreibst.
Der § 110 ist bei Geschäftsunfähigen nicht anwendbar, weder bei dem Minderjährigen (§ 104 Nr.1) noch bei dem Erwachsenen (§ 104 Nr.2).
Der Begriff des Minderjährigen in $ 110 bezieht sich auf den beschränkt Geschäftsfähigen aus § 106. Dieser Begriff bezieht sich dann wie im letzten Halbsatz deutlich wird auf die §§ 107-113.
 
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