Rechtsfortbildung der Verfassung - statthaft?

Dr Franke Ghostwriter
Rechtsfortbildung der Verfassung - statthaft?

Zu Kurseinheit Teil 2, Kurs 2 von Modul 5, "Deutsches Verfassungsrecht", Seite 75, zweiter Absatz von unten:

Der Verfasser äußert sich hier zu Art. 6 Abs. 1 GG derart, dass er dem genanntem Artikel, der ja gerade Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellen möchte, kein Diskriminierungsgebot für alle anderen Lebensgemeinschaften entnimmt, sondern daraus "allenfalls eine Verpflichtung herleitet, die Ehe nicht schlechter zu stellen, als alle anderen Lebensgemeinschaften".
Hier wird mittels Analogieschluss eine offensichtliche Lücke im Verfassungstext geschlossen. (Weiteres zur Rechtsfortbildung siehe Modul 2.)
Die Verfassung, als Verrechtlichung der elementaren Beziehungen im Staat ist unstreitig Recht. Aber auch das höchste Recht, an welchem sich jedes andere messen lassen muß. Und auch bei der Reihenfolge der Gesetzesauslegung, grammatisch -> systematisch -> historisch -> teleologisch, erfolgt bei der systematischen Auslegung die Prüfung der Verfassungskonformität.
Nun meine Frage:
Darf auch die Verfassung der Rechtsfortbildung unterliegen? Oder ist tatsächlich nur das erfasst, was auch grammatisch drin steht?
Hier, Art. 6 Abs. 1, IST nun mal nur "Ehe und Familie" erfaßt und im Abs. 4 IST nun mal nur von der "Mutter" die Rede. Im Gegensatz dazu, Abs. 5, erfaßt "uneheliche" UND "eheliche" Kinder. (Na bitte - geht doch.)
Im Art. 6 Abs. 1 sind "alle anderen Lebensgemeinschaften" aber gerade nicht erfasst!
Meiner Ansicht nach birgt die Anwendung der Rechtsanalogie auf die Verfassung eine Gefahr, denn auf diesem Wege kann sie derart "verbogen" werden, dass sie nicht mehr im Sinne ihres Erfinders ist.
Dann bitte eine Verfassungsänderung, geht ja auch, siehe Art. 20a, und es besteht Klarheit.
😕 😕 😕 😕 😕 😕

Ulrike
 
lola177 schrieb:
Das, was du oben beschreibst , ist kein Analogieschluss.

Schön - was dann?
Die Grenze der Rechtsauslegung bildet der Wortlaut.
Der ist hier meiner Meinung nach überschritten worden und damit sind wir in den heiligen Hallen der Rechtsfortbildung.
Der Autor sagt ja, wenn es für die Ehe zutrifft, dann muss es ja für alle anderen Lebensgemeinschaften erst Recht zutreffen.
Im BGB I - Kurs finde ich zu allem unter Rechtsauslegung und -fortbildung nur den Erst-Recht-Schluss als Sonderfall des Analogieschlusses.
Wenn es das dann doch nicht sein soll habe ich höchstwahrscheinlich ne ganze Menge von diesem Kurs nicht verstanden und hoffe, dass mir in diesem Rahmen jemand auf die Sprünge helfen kann.

Ulrike
 
Der Autor hält sich meines Erachtens hier genau an den Wortlaut des Artikels. Er sagt ja, daß dem Artikel, so wie er lautet, kein Diskriminierungsgebot zu entnehmen ist. Die Forderung nach besonderem Schutz könne man nicht als Forderung zur Besserstellung verstehen.
Der Artikel sagt aber , so wie er lautet, aus, daß die Ehe auf keinen Fall schlechter gestellt werden darf. Denn dann wäre der Artikel verletzt.
Den Erst-recht- Schluß kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, davon steht kein Satz im Text. Der Artikel bezieht sich auf Ehe und Familie, man kann hier m.E. auch keinen Schluß ziehen, was dieser Artikel dann für andere Lebensgemeinschaften bedeutet. Weil er von diesen gar nicht spricht.
 
lola177 schrieb:
Der Autor hält sich meines Erachtens hier genau an den Wortlaut des Artikels. Er sagt ja, daß dem Artikel, so wie er lautet, kein Diskriminierungsgebot zu entnehmen ist. Die Forderung nach besonderem Schutz könne man nicht als Forderung zur Besserstellung verstehen.

Hallo lola177,
schön, dass Du mit mir kommunizierst. Danke erstmal dafür!
Also, wenn ich mir selbst auferlege, etwas besonders zu schützen, dann habe ich damit doch gesagt, ich schütze es besser als (irgendetwas, hier wohl die Lebensgemeinschaften oder was auch immer) anderes.

lola177 schrieb:
Der Artikel sagt aber , so wie er lautet, aus, daß die Ehe auf keinen Fall schlechter gestellt werden darf. Denn dann wäre der Artikel verletzt.

Schlechter gestellt als was?

lola177 schrieb:
Den Erst-recht- Schluß kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, davon steht kein Satz im Text. Der Artikel bezieht sich auf Ehe und Familie, man kann hier m.E. auch keinen Schluß ziehen, was dieser Artikel dann für andere Lebensgemeinschaften bedeutet. Weil er von diesen gar nicht spricht. 😉

Eben, der Artikel 6 spricht gar nicht erst von Lebensgemeinschaften.
Das ist ja der Grund, warum ich mich an den Ausführungen des Autors des Teil 2, Kurs 2, Modul 4, Seite 75, so gestoßen habe.
Der Autor hat also einfach diesen Schluss gezogen, das die Ehe nicht schlechter zu stellen wäre, als alle anderen Lebensgemeinschaften.
Meine Frage ging ja auch in die Richtung, woher der Autor das nimmt, denn ich bin auch der Meinung, im Art. 6 ist das vom Wortlaut her gar nicht erfasst.
Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz, dann ist für mein Verständnis der "Rest" zwangsläufig schlechter geschützt, aber eben mindestens nicht mehr besonders.
Oder wir ändern den Art. 6 der Verfassung, so dass alle vom Wortlaut her erfasst sind. Dann muss da auch nichts mehr "reingedeutet" werden, was gar nicht drin steht.
Ich tu mich ja gerade so schwer damit, weil es eben nicht irgendwas ist, sondern die Verfassung, an der sich halt alles andere messen lassen muss. Und gerade da wiederstrebt es mir, was "reinzudeuten", was vom Wortlaut nicht erfasst ist.
Ich kann aber wohl beruhigt sein. Wahrscheinlich bin ich der/die einzige, die sich daran hochzieht.
Wir schützen dann halt alles besonders und dann ist es auch gut.

Ulrike
 
Der Autor hat sich ja m.E. nur deswegen zu den Lebensgemeinschaften geäußert, um sich zu der geläufigen Auffassung zu äußern, dem Art. 6 sei ein Diskriminierungsgebot für andere Lebensgemeinschaften zu entnehmen. Er schließt sich ja dieser Auffassung, dem Art. 6 etwas über andere Lebensgemeinschaften zu entnehmen, gerade NICHT an, sondern stellt seine Auffassung dar, daß man mit dieser dargestellten Auffassung ( Diskriminierungsgebot für andere Lebensgem.) über den Art. hinausgeht. DAS ist ja die Auffassung des Autors.
Diese von ihm erwähnte Auffassung (andere Lebensgem. sind schlechter zu stellen) mit dem Schluß besonders schützen bedeute besser schützen ist ihm ja eben gerade schon zu viel ausgelegt. Denn es steht dort besonders schützen und nicht besser schützen. Unser Autor bewegt sich somit so nah es geht am Wortlaut und hat gar nicht vor, die Verfassung großzügig auszulegen, er kritisiert ja gerade das. So habe ich das verstanden.
 
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