Erst mal vielen Dank für die schnelle Antwort!🙂
Wenn er sich also sowohl gegen das Gesetz als auch den Bescheid wendet, ist das dann ne Legal- oder Administrativenteignung? Oder kann es eine Sozialisierung sein und wo ist der Unterschied?
Ich stell einfach mal den Fall rein,meine kurze Zusammenfassung war wahrscheinlich etwas unübersichtlich😱
1. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist Alleingesellschafterin der Hamburg Airport GmbH. Diese betreibt den Hamburger Flughafen in Hamburg Fuhlsbüttel. Der Flughafen erfreut sich einer sehr hohen Belegung. Das führt dazu, daß eine erhebliche Nachfrage nach Grundstücken von Zulieferfirmen im Randbereich des Flughafengeländes entsteht. Dieser kann auf dem freien Grundstücksmarkt immer schwieriger befriedigt werden. Die gleichzeitige Entwicklung der Grundstückspreise im Einzugsbereich des Flughafens sieht der Senat der Freien und Hansestadt mit großer Sorge. Er befürchtet nämlich, daß die bislang zu beobachtende Investorenneigung den Flughafen-Standort Hamburg wählenden Firmen in angesichts kaum noch marktfähiger Grundstückspreise in nächster Zeit abnehmen wird, dies wiederum zu einer Verlagerung der vorhandenen Unternehmen in den Flughafen Hannover-Langenhagen führen und dies insgesamt zu einem Verlust an Arbeitsplätzen in der Hamburger Luftfahrtindustrie ergeben wird. Ein Marktgutachten, das der Senat erstellen ließ, bestätigt diese Befürchtungen. Die Stadt Langenhagen wirbt seit längerem um Ansiedlungen; sie hat inzwischen durch Bebauungspläne geeignete Gewerbeflächen ausgewiesen. Die niedersächsische Landesregierung – so hört man – betrachtet die Vorgehensweise der Stadt Langenhagen „mit Wohlgefallen“ und hat bereits ein Investitionsvolumen von 100 Mio € haushaltsmäßig bereitgestellt.
Der Senat der Hansestadt beschließt deshalb, politisch aktiv zu werden und im Hinblick auf die angestrebte Erweiterung des Luftfahrtstandorts Hamburg und zur Sicherung der bislang entstandenen Arbeitsplätze die Dinge nicht mehr dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Auf seinen Vorschlag hin erläßt die Bürgerschaft das folgende Gesetz, das der Senat alsdann ordnungsgemäß verkündet:
Flughafen-Investitionsgesetz – FIG – vom 2. November 2005
§ 1 Die Festigung und Erweiterung des Standortes Flughafen Hamburg liegt im Gemeinwohl.
§ 2 Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes gehen die in der Anlage zu diesem Gesetz bezeichneten Grundstücke der Fl-Nr. … in das Eigentum der Hamburg Airport GmbH über.
§ 3 Die Hamburg Airport GmbH darf die nach § 2 dieses Gesetzes erworbenen Grundstücke an Dritte veräußern oder mittelfristig vermieten oder langfristig verpachten. Im Falle der Veräußerung bestimmt sie den Kaufpreis unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieses Gesetzes. Ferner muß für den Fall der Weiterveräußerung eine Rückerwerbsoption zugunsten der Hamburg Airport GmbH vereinbart werden. Erbpacht ist ausgeschlossen.
§ 4 Die Eigentümer der in § 2 bezeichneten Grundstücke werden entschädigt. Entschädigungspflichtig ist die Freie und Hansestadt Hamburg. Sie soll nach Möglichkeit Ersatzgrundstücke aus dem Staatsbesitz zur Verfügung stellen. Ist dies nicht möglich oder wird ein entsprechendes Angebot abgelehnt, sind die Eigentümer in Geld zu entschädigen.
§ 5 Über die Höhe der Entschädigung entscheidet der Gutachterausschuß (§ 192 Bundesbaugesetz) weisungsfrei nach billigem Ermessen. Der Gutacherausschuß soll sich hierbei an den Verkehrswert ausrichten, der drei Jahre vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bestand.
§ 6 Veräußert die Hamburg Airport GmbH ein nach § 2 dieses Gesetzes erfasste Grundstück nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, kann der Eigentümer eine Rückenteignung verlangen. § 102 des Baugesetzbuches gilt entsprechend.
§ 7 Das Gesetz tritt am 15. November 2005 in Kraft.
In der Begründung seines Gesetzentwurfes vom 10. Oktober 2005 führt der Senat u.a. aus, daß mit dem Gesetzesvorhaben nach Berechnungen des Marktgutachtens vom August 2005 in den nächsten drei Jahren im Bereich der Hamburger Luftfahrtindustrie unmittelbar 400 Arbeitsplätze geschaffen werden. Mittelfristig führe dies durch zusätzlich zu erwartende subunternehmerische Tätigkeit mutmaßlich zu einem Arbeitsplatzvolumen von insgesamt 800 bis 1.000 Arbeitsplätzen im unmittelbaren Einzugsbereich Hamburgs. Auf jeden Fall müsse verhindert werden, daß durch eine zu befürchtende Verlagerung ein Verlust an Arbeitsplätzen eintrete. Eine nähere Darstellung dieses worst case scenario könne der Senat aus industriepolitischen Gründen nur mündlich und vertraulich in der Sitzung des zuständigen Bürgerschafts-Ausschusses geben. Es sei zwar auch möglich, im Verfahren der Bebauungsplanung nach § 85 ff. des Bundesbaugesetzbuches Enteignungsmaßnahmen vorzunehmen. Derartige Verfahren seien indes erfahrungsgemäß langwierig. Es müsse jetzt rasch gehandelt werden.
2. A ist Eigentümer eines nach § 2 FIG erfaßten Grundstücks. Er ist nicht bereit, sein Grundstück herzugeben. Er hat – so läßt er den Senat wissen - überhaupt nicht die Absicht, sein Grundstück zu veräußern. Für ihn träfe die Befürchtung des Senates, etwa „Wucherpreise“ zu nehmen, überhaupt nicht zu. Er verlange daher vom Senat, daß man ihn mit diesen gesetzgeberischen Mätzchen, wie er sich ausdrückt, nicht weiter belästige. Als A wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes vom Grundbuchamt die Nachricht bekommt, sein Grundstück sei inzwischen von Amts wegen auf das Eigentum der Flughafen Airport umgeschrieben, merkt A, daß die Sache ernst wird. Darauf geht A zum Rechtsanwalt Dr. D und fragt, was zu tun sei.
B ist ebenfalls Eigentümer eines nach § 2 FIG erfaßten Grundstücks. Er hat mit C bereits einen Kaufvertrag geschlossen. Nur die Eigentumsübertragung durch Eintragung in das Grundbuch ist noch nicht vollzogen worden. Die Auflassung sei allerdings bereits im notariellen Kaufvertrag erklärt worden. Durch die gesetzliche Enteignung könne er nunmehr seinen Kaufvertrag nicht mehr erfüllen. Der Käufer hat bereits massive Schadenersatzforderungen angekündigt, die dem B durchaus plausibel erscheinen. B hat daher ebenfalls Rechtsanwalt Dr. D aufgesucht und bittet ihn, die geeigneten gerichtlichen Schritte zu unternehmen.
Aufgabe: Rechtsanwalt Dr. D beauftragt die bei ihm hospitierende Jurastudentin S, für A und B die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zu prüfen. Ein von Rechtsanwalt Dr. D eingeholtes Marktgutachten von Januar 2006 ergibt, daß inzwischen keineswegs mehr so sicher sei, daß die im Gesetzesentwuf genannte Arbeitsplatzprognose eintreten werde.