Ein Fall zu Religions- und Meinungsfreiheit

Dr Franke Ghostwriter
Ein Fall zu Religions- und Meinungsfreiheit

Hallo alle zusammen!

Hier ist ein schöner Fall zu Grundrechten, der im SS06 an der Humboldt-Uni als Hausarbeit ausgeteilt wurde. Würde ihn gerne als Wiederholung lösen. Habt ihr auch Lust? Dann los!

Im Juli 2005 versandte R, ein deutscher Rentner, der mehrere Jahre in islamischen Ländern gelebt hatte, einzelne Blätter Toilettenpapier an Moscheen, Fernsehsender und Nachrichtenmagazine. Das Toilettenpapier war mit dem Stempelaufdruck „DER HEILIGE KORAN“ versehen. Den Stempel hatte R unter Benutzung der Frontseite seines Koranexemplars selbst hergestellt. Dem Toilettenpapier lag folgender, von R verfasster Text bei:
„Hallo, Mitbürger,
ganz nach dem Vorbild des Religionsgründers Mohammed haben islamisch Terroristen einen Anschlag in London verübt. Er reiht sich in eine Vielzahl ähnlicher Anschläge ein, denen bereits hunderte amerikanischer, europäischer und deutscher Männer, Frauen und Kinder zum Opfer gefallen sind. Der Koran, dieses Kochbuch für Terroristen, enthält viele Textstellen, die zu solchen Gewalttaten aufrufen. Die
Täter vollziehen also das nach, was ihnen der Koran vorgibt und in den Moscheen gelehrt wird. Ein Höhepunkt war der Mord an dem holländischen Filmemacher van Gogh, der nur dafür ermordet wurde, dass er seine Grundrechte in Anspruch genommen hatte.
Die Opfer dieser Terroranschläge dürfen nicht vergessen werden. Deshalb beabsichtige ich, ein Mahnmal für die Opfer des islamischen Terrors der Vergangenheit und der Zukunft zu errichten. Es soll durch Spenden finanziert werden. Ich habe deshalb Klopapierrollen mit dem Koranaufdruck versehen lassen; ein Muster ist angefügt. Der Kaufpreis einer Klopapierrolle beträgt 4 Euro. Davon werden 3 Euro für die Errichtung des Mahnmals verwendet. Wir bitten Sie, unser Anliegen durch den Kauf des Klopapiers zu unterstützen.
R.“
R veröffentlichte den Text auch in verschiedenen Internetforen. Am 19. Juli 2005 wandte sich die Regierung der islamischen Republik Iran offiziell an das Auswärtige Amt und bat, die Beleidigung des Koran sofort zu unterbinden. Drei Tage später erwirkte die Staatsanwaltschaft in Münster einen Durchsuchungsbeschluss bei
R. Bei der Durchsuchung stellte die Polizei den Computer sowie geringe Mengen bedruckten Toilettenpapiers sicher. Darauf erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen R wegen Beschimpfung religiöser Bekenntnisse gemäß § 166 Abs. 1 StGB.
R berief sich in der Verhandlung auf seine Meinungs- und Kunstfreiheit. Für ihn sei die Toilette der Ort, wo die islamische Ideologie, die auf einer Stufe mit dem Nationalsozialismus stehe, hingehöre. Er habe das Versenden des Toilettenpapiers als Kunstaktion durchgeführt, in der er seine akute Betroffenheit nach der
Ermordung des holländischen Filmemachers ausgedrückt habe. Den Verkauf bestempelten Toilettenpapiers habe er nie ernsthaft vorgehabt, er habe das Angebot lediglich satirisch gemeint und wachrütteln wollen.
Am 23. Februar 2006 wurde R wegen Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. In der Urteilsbegründung heißt es: „Die vom Angeklagten geübte Islamkritik stellt ein ,Beschimpfen’ im Sinne dieser Vorschrift dar. Sie enthält eine so erhebliche
Herabsetzung des Bekenntnisses anderer, dass sie als eine Gefährdung des öffentlichen Friedens gelten muss. Unter dieser Voraussetzung sind entsprechende Äußerungen nicht mehr durch das Grundrecht der Meinungsoder
Kunstfreiheit gedeckt, zumal § 166 StGB selbst grundrechtsschützenden Charakter hat.“
Aus der Tatsache, dass das gestempelte Toilettenpapier auch an islamische Einrichtungen geschickt worden war, entnahm das Gericht, dem Angeklagten könne es nicht nur um eine Meinungsäußerung oder ein Kunstwerk gegangen sein. Das bedruckte Toilettenpapier habe zusammen mit dem Anschreiben nur noch
einen „beschimpfenden Charakter“ gehabt, und dies habe R auch so „beabsichtigt“. Berufung und Revision bleiben ohne Erfolg.
R möchte am 24. Juli 2006 von Ihnen wissen, wie es um die Erfolgschancen einer Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Revisionsgerichts vom 23. Juni 2006 steht.
 
aronada,

schöner Fall an dem wir das Schema Verfassungsbeschwerde Zulässigkeit und Begründetheit mit dem Freiheitsrecht Meinungs- und Kunstfreiheit gut üben können.

Danke für die Einstellung. Hast Du später auch eine Lösung dazu?
 
eigentlich ich... 🙂

Gitb es Vorschläge, wie man es lösen könnte? Also, Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit oder beide?

...und dazu noch- die Kollision zu Religionsfreiheit?

zur Kunstfreiheit muss man ja erstmal prüfen, ob es sich denn bei den Toilettenrollen um Kunst handelt oder nicht. Würde ich persönlich verneinen, aber das ist ja Definitionssache.

dann würde ich auf Meinungsfreiheit herumschwenken. ICh weiß allerdings nicht, ob ich die Religionsfreiheit mit reinbringen würde. Eher dann mit der allgemeinen Würde und dann auch aus dem Sachverhalt aufnehmen, dass die Aktion den Frieden mit dem islamistischen Mitbürgern gefährdet sei und dann auf den Ehrenschutz. Mittels der Begründung des Ehrenschutzes kann die Meinungsfreiheit durch staf- und zivilrechtliche Vorschriften begrenzt werden.

Wobei es letztere Schranke ja nicht bei der Kunstfreiheit gibt. Da kann man dann ja lediglich Eingriffe durch/ mittels konkurrierender Verfassungsbestimmungen rechtfertigen.

Religionsfreiheit finde ich schwierig, da er sich ja gegen die Terroranschläge richtet und diese verfassungsrechtlich gesehen sicher nicht geschützt werden sollen.

Das sind meine Gedanken in nicht schemata-reifer Ausarbeitung.
 
ich würde die Religionsfreiheit kurz prüfen und definieren als die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des ... Bekenntnisses nach Art.4 GG Geschützt würde ich auch die Freiheit sehen etwas nicht zu glauben. Die Diffamierung anderer Religionen fällt aber sicherlich nicht unter die Glaubensfreiheit. Somit würde ich den sachlichen Schutzbereich des Art.4 als nicht anwendbar sehen und nichts weiter zur Religionsfreiheit sagen.

Auch die allgemeine Handlungsfreiheit Art2 I und das allgemeine Persönlichkeitsrecht würde ich nur ganz kurz ansprechen und sagen, daß diese Rechte als Auffanggrundrechte nicht zur Anwendung kommen, da der Artikel 5 spezieller ist.

Schwerpunktprüfungspunktsind also zuerst die Meinungsfreiheit (der R ist kein Journalist und fällt somit nicht unter die Pressefreiheit).
Diese wird eingeschränkt durch den Art.2 und hier speziell durch den 166 StGB.
Das müsste gerechtfertigt sein. Dann ist zu prüfen, ob der 166 verfassungsgemäß ist, was er sicherlich ist und dann ob die Einzelmaßnahme richtig angfewandt wurde. Da die Meinungsfreiheit aufhört, wo sie die Ehre anderer angreift käme ich zu dem Ergebnis, daß R nicht in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt ist.
Der zweite Schwerpunkt ist dann die Kunstfreiheit des Art.5 Abs.3, die nicht einschränkbar ist. Da muß ich den 166 StGB nochmal prüfen und das Grundrecht der Muslime auf den verfassungsmäßigen Schutz ihrer Religion gegen die Kunstfreiheit abwägen. Da der R nun nicht nur wenige Täter angeriffen hat, sondern alle Menschen muslimischen Bekenntnisses, hat er mit dieser Aktion überwiegend Unschuldige in den Dreck gezogen und gleichzeitig das Buch, welches von dieser Gruppe als heilig angesehen wird, als Toilettenpapier verunglimpft. Mit einer Verurteilung des R sehe ich in das Grundrecht auf Kunstfreiheit deutlich weniger eingegriffen, als in die Glaubens und Bekenntnisfreiheit der Muslime eingegriffen würde, wenn mann das ungestraft ließe. (davon abgesehen ist fraglich, ob R denn ein Künstler ist und das Grundrecht überhaupt im persönlichen Schutzbereich liegt, man könnte das verneinen und ausschließlich die Meinungsfreiheit intensiev durchprüfen).
Ich käme folglich zu dem Ergebnis, daß die Erfolgsaussichten des R in der revision denkbar schlecht sind und R durch das Urteil nicht in seinem Grundrecht auf Kunstfreiheit betroffen ist.
 
aronada.problematisch ist das legitime ziel des §166 StGB.nach hM ist alleiniges Schutzgut der öffentliche friede,der meines wissens keinen verfassungsrang hat.wie kann ich dann aber die kunstfreiheit einschränken?
liebe grüße Annemi
 
Annemi, die kunstfreiheit ist nicht durch ein gesetz einzuschränken, weil sie vorbehaltlos Gewährt ist. Du kannst sie nur gegen ein anderes grundrecht abwägen und per Verhältnismäßigkeitsprüfung einschränken. Man könnte aber auch mal die Definition der Kunst unter die Lupe nehmen und die Satire von der Schmähkritik abgrenzen. Würde ein kunstverständiger Dritter das Toilettenpapier als Kunst ansehen ?? Also, ist das wirklich Kunst, was der Kerl da produziert hat ? Hat er vorher schon mal als Künstler gearbeitet oder danach oder ist die Kunstbehauptung eine reine Schutzbehauptung ? Folglich stellt sich nochmal der Frage, ob des Schutzbereich des Grundrechts überhaupt betroffen ist ?
 
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