• Guten Start ins Wintersemester 2024/2025

Sprachstil für Juristen

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Hier kann über unser Handwerkszeug diskutiert werden - die Sprache und deren Stil.

Was macht einen guten Stil aus ?

Wie sollte man nicht schreiben ?

Wo findet man Anregungen für einen guten Stil ?
 
Literaturtipp: Ludwig Reiners, Stilfiebel, DTV, ISBN 3-423-30005-1

Ein lustiges Beispiel zu den Schachtelsätzen, die wir Juristen so lieben:

(Es handelt sich um einen grammatikalisch und sprachlich korrekten deutschen Satz !)

Hinsichtlich des durch die von den bei der in der neben dem Forsthaus gelegenen einsamen Waldhütte begangenen Körperverletzung angetrunkenen Raufbrüdern Zerreißung von Wäschestücken entstandenen Schadens wird der Anzeigende auf den Weg der Zivilklage verwiesen
 
noch ein Literaturtipp: Fritjof Haft,Juristische Rhetorik (ISBN 3495476881).

Das Buch lohnt sich wirklich. Wie übrigens alle Bücher von Haft. Ausserdem reimt er sich auf Dr.Taft 😉 .

Grüße
Alex
 
Nach erstem Überfliegen scheint mir auch sehr lehrreich:

Uwe Diederichsen, Die BGB-Klausur, ISBN 3-406-37958-3

Neben Ratschlägen für die perfekte Klausur geht es in Kapitel 6 um den juristischen Stil.

Übrigens auch sehr lehrreich für den Gutachtenstil ! (man liest dort, was eigentlich vom Korrektor eines EA-Gutachtens als Feedback für Mühe und Schweiß zurück kommen sollte 😉

Gezeichnet Taft
 
Weiteres Beispiel aus Ludwig Reiners "Stilfiebel":

Tipp: Mit dem Passiv richtig umgehen.

Werden im Satz viele Passive verwendet, wird dadurch das Sinnverständnis erschwert.

(1): "Durch statuarische Bestimmungen des zuständigen Gemeindeverbandes kann angeordnet werden, daß von den Hausgewerbetreibenden Beiträge überhaupt nicht erhoben werden und daß der Verband die Kosten übernimmt, die der Kasse durch die Versicherung ihrer hausgewerblichen Mitglieder nach Abzug des Gesamtbetrages der ihr zufließenden Auftraggeberbeiträge entdecken - äääähm - erwachsen 🙂"

Wie wäre es mit (2): "Der Gemeindeverband kann in der Satzung die hausgewerblichen Versicherungspflichtigen von der Beitragspflicht befreien und selbst die Kosten übernehmen, soweit die Auftraggeberzuschüsse diese nicht decken."
 
lustige Beispiele zum Kanzleistil ...

"Am Anfang erfolgte seitens Gottes sowohl die Erschaffung des Himmels als auch die der Erde. Die letztere war ihrerseits eine wüste und auch eine leere, und ist es auf derselben finster gewesen, und über den Flüssigkeiten fand eine Schwebung der Geistlichkeit Gottes statt."

(Übersetzung aus dem Buche Genesis)
 
weiteres Beispiel aus Ludwig Reiners "Stilfiebel":

Tipp: Mit dem Passiv richtig umgehen.

Werden im Satz viele Passive verwendet, wird dadurch das Sinnverständnis erschwert.

(1): "Durch statuarische Bestimmungen des zuständigen Gemeindeverbandes kann angeordnet werden, daß von den Hausgewerbetreibenden Beiträge überhaupt nicht erhoben werden und daß der Verband die Kosten übernimmt, die der Kasse durch die Versicherung ihrer hausgewerblichen Mitglieder nach Abzug des Gesamtbetrages der ihr zufließenden Auftraggeberbeiträge entdecken - äääähm - erwachsen 🙂"

Wie wäre es mit (2): "Der Gemeindeverband kann in der Satzung die hausgewerblichen Versicherungspflichtigen von der Beitragspflicht befreien und selbst die Kosten übernehmen, soweit die Auftraggeberzuschüsse diese nicht decken."

hm... da hätte ich so meine Probleme mit

(1) sagt aus, das gar keine Beiträge erhoben werden
(2) sagt aus, das zwar Beiträge erhoben werden, allerdings man davon befreit werden kann

Das sind 2 unterschiedliche Dinge 😉

Man kann ja nunmal keinen von der Beitragspflicht befreien, wenn es gar keine gibt
 
hm... da hätte ich so meine Probleme mit

(1) sagt aus, das gar keine Beiträge erhoben werden
(2) sagt aus, das zwar Beiträge erhoben werden, allerdings man davon befreit werden kann

Das sind 2 unterschiedliche Dinge 😉

Man kann ja nunmal keinen von der Beitragspflicht befreien, wenn es gar keine gibt 😉
Ja, da kommt der Jurist wohl immer in einen Konflikt. Im Zweifel muß die Formulierung natürlich eindeutig sein. Da läßt es sich manchmal nicht vermeiden, daß sie holprig klingt. Aber es wird denke ich klar, was gemeint ist. Juristendeutsch kann meistens auch schön klingen und bereits beim ersten Lesen verständlich sein.
 
So, Beispiel eines Satzes aus der Feder des Gesetzgebers:

(§ 53 UrhG - Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch)

(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird.
  • Wozu dient die Einschränkung auf natürliche Personen ? Eine juristische Person wird selten eine CD kopieren. Sie muß sich dazu zwangsläufig einer leibhaftigen Person bedienen. Der Sinn erschließt sich mir nicht ganz - ist die Einschränkung schlicht überflüssig ?
  • sofern wer ? Die Vervielfältigungen, die Träger oder gar die Person (was man solange erst mal denken könnte, bevor das Verb dann im Plural steht ...).
  • Die doppelte Einschränkung (soweit schränkt sofern ein ?) in Verbindung mit der Verneinung verwirrt total. Gemeint ist doch einfach: "Einzelne Vervielfältigungen (...) sind für private Zwecke zulässig, außer die Vorlage wurde offensichtlich rechtswidrig hergestellt." Statt dessen muß man erst fünf mal lesen um zu begreifen, daß mit "zum privaten Gebrauch" und "nicht zu erwerbszwecken dienend" nicht zwei verschiedene, sich einschränkende Dinge gemeint sind, sondern schlicht ein und dasselbe. Zum privaten Gebrauch ist ok, kein privater Gebrauch liegt vor, wenn die Vervielfältigung mit Erwerbszweck erfolgt, sei es mittelbar oder unmittelbar. Keinesfalls darf von einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage vervielfältigt werden.
Es gibt wirklich perfekt formulierte Gesetze, aber oft ärgere ich mich derart über saukomplizierte Formulierungen, bei denen ich nach minutenlangem Nachdenken erst merke, daß überhaupt nichts dahinter steckt - muß das sein ? Nö !
 
Dr Franke Ghostwriter
Noch ein Kalauer:

Wer hat die Unsitte begründet, von "schwerbehinderten Menschen" zu sprechen ???!

Da wollte der Amtsschimmel wohl vermeiden, eine bestimmte Personengruppe durch die Wortwahl zu diskriminieren. Erreicht hat er das schiere Gegenteil.

Wer von "schwerbehinderten Menschen" spricht und im selben Satz von "Schwangeren" und "Arbeitslosen", der diskriminiert die Gruppe der Schwerbehinderten erst Recht ! Es muß ja ein Sinn dahinter stecken, wenn man ein an sich überflüssiges weil selbstverständliches Wort hinschreibt. Eine Abgrenzung kommt wohl nicht in Frage, denn das Arbeitsrecht regelt nicht die Rechtsbeziehungen schwerbehinderter Tiere oder Untermenschen zueinander. Also bleibt nur noch der Sinn, daß extra betont werden soll, daß Schwerbehinderte doch auch Menschen sind.

Hat das jemals irgendwer bestritten ? Das zitierte Gesetz stammt jedenfalls nicht aus der Nazizeit ...
 
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