• Guten Start ins Wintersemester 2024/2025

Frage an die Rechtspfleger in unserem Kreise

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Frage an die Rechtspfleger in unserem Kreise...

Hallo zusammen,
ich fange jetzt zwar auch im 1. Semster BoL an, habe mich aber dennoch zeitgleich für eine Ausbildung als Rechtspflegerin beworben. Falls es klappen sollte, würde ich dann mein Studium von Vollzeit auf ein Teilzeitstudium beschränken.

Nun meine Frage an euch, weshalb studiert ihr nebendem Beruf jetzt BoL? Ist der Job als Rechtspfleger/in nach ner Zeit nicht mehr genung? Oder eröffnen sich für euch durch dieses Studium andere Möglichkeiten in eurem Beruf?

LG
Özlem
 
Özlem!

Bin zwar kein Rechtspfleger, kann Dir aber hoffentlich trotzdem ein bisschen weiterhelfen.
Als Rechtspfleger bist du sehr speziell und spartenmäßig ausgebildet.
Mit dem LLB und LLM bist Du dann wesentlich umfassender und breiter aufgestellt.
Schau´mal unter:

www.reform-der-juristenausbildung.de

nach, dann weist Du, was ich meine.

LG
zephyr
 
Oezlem,

ich war mal Rechtspfleger ( bin inzwischen in einer anderen Laufbahn in der Justiz tätig).
Die Frage nach dem "Warum" ist nicht so einfach zu beantworten. Ich haben mich für dieses Semster zum ersten Mal für den BOL eingeschrieben.
Grundsätzlich ist es so, dass der Job als Rechtspfleger recht interessant und vielseitig ist, wenn man bereit ist, auch mal die Stelle zu wechseln. Klar - Routine gibt es überall.

Wenn mich heute ein Abiturient fragen würde: "Soll ich Rechtspfleger machen" würde ich ihm wahrscheinlich abraten, und zwar aus folgenden Gründen:

- Für den Rechtspflegerberuf spricht zwar der Beamtenstatus, und damit ein sicherer Arbeitsplatz. Das ist aber so ziemlich das Einzige, was für diesen Job spricht.

Gegen ein Studium an der FH für Rechtpflege spricht folgendes:
- Im Vergleich zu den Studienmaterialien an der FU Hagen sind die Materialien an der FH in Schwetzingen geradezu stümperhaft. Es wird möglichst viel Stoff in möglichst kurzer Zeit reingepresst. Wie du damit zurecht kommst ist weitestgehend dir überlassen. Da du aber bereits im Studium Beamter auf Widerruf bist, bist du zur Anwesenheit in den Vorlesungen verpflichtet, auch wenn der Dozent noch so schlecht ist und du lieber ein Buch zum selben Thema durcharbeiten würdest.
- Mit der Übernahme der Absolventen sah es in den letzten Jahren nicht so rosig aus. Wenn du nicht ein Super Examen hast, stehst du einfach auf der Strasse. Und das Diplom (FH) ist in der Wirtschaft in keiner Weise anerkannt. Ist ja auch logisch - denn du bist ja für die Justiz ausgebildet und nicht für die Wirtschaft. Wenn du Glück hast bekommst du dann ´nen Job bei einer Bank oder Versicherung.
- Selbst wenn du dann übernommen wirst, stehen die Karrierechancen schlecht. Ein Aufstieg in den höheren Dienst ist in der Regel nicht möglich
( wegen des Richtergesetzes. Einzige Ausnahme: In der Justizverwaltung). Die Bezahlung im Eingangsamt (A9) ist vergleichsweise lausig, und wenn du nicht gerade eine Funktionsstelle hast, ist bei A11 Schluss. ( Ein Sprichwort sagt: Der Mantel des öffentlichen Dienstes ist warm aber eng).
- Nicht zuletzt muss man sagen, dass die Rechtspflegerlaufbahn in den letzten Jahren zunehmend demontiert wurde. Bestimmte Aufgaben wurden auf den mittleren Dienst ( z.B. Strafvollstreckung) oder auf Gerichtsvollzieher ( z.B. Pfändung von Forderungen) übertragen. Die interessanten Tätigkeiten werden immer weniger
- Die Arbeitsbelastung ist im Gegenzug enorm hoch und steht in keinem Verhältnis zur Bezahlung. Speziell in Baden-Württemberg spart man den öffentlichen Dienst förmlich kaputt.

Da stellt man sich als Rechtspfleger schon mal die Frage, ob man mit seiner Berufswahl alles richtig gemacht hat.

(Ich glaube, ich habe mir gerade des Frust der letzten 20 Jahre von der Seele geschrieben. Aber das musste einfach mal sein). :wut:

Also: Warum studiert ein Rechtspfleger nebenbei BOL ? Vielleicht weil er sich sagt: das hätte ich schon längst tun sollen, aber das gab´s damals noch nicht.

Ein Punkt scheint mir besonders wichtig:
Wenn du in der Rechtspflegerprüfung im unteren Mittelfeld liegst ( und da liegen sehr viele) hast du kaum eine Chance auf Übernahme. Dann bist du nach 3 Jahren so weit wie vorher. Und die FU erkennt dir aus dem Rechtspflegerstudium nur das Propädeutikum und BGB I an. Der Bologna-Prozess ist an der FH für Rechtspflege halt spurlos vorübergegangen.

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.
 
Dr Franke Ghostwriter
Ja ich danke Dir. Deine Antwort war wirklich sehr ausführlich und hilfreich.

Ich habe mich nämlich erkundigt über diesen Beruf und es scheint mir wirklich sehr interessant zu sein, aber wie Du schon sagtest, Verteilung der Aufgabengebiete an andere Stellen in der Justiz und dass dieser Abschluss ja dann wirklich nur für die Justiz gilt ist, ist natürlich einschränkend.

Auf ein gutes Gelingen im SS2007.

Özlem
 
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