Wichtig: Wie können hier keinen Einzelfall beurteilen. Echte Fälle sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die hier nicht erfasst werden können, weshalb hier gefundene Lösungen im Einzelfall falsch sein können, woraus auch Schaden entstehen kann. Den Einzelfall umfassend lösen kann nur ein Rechtsanwalt.
Hier wird nur über juristische Detailprobleme diskutiert. Wir lösen einfach gestrickte theoretische Fälle. Die Wirklichkeit ist komplexer, weshalb auch die Lösungen komplexer sind. Folgende Lösung ist deshalb nicht auf den Realfall übertragbar.
Fall:
T-Mobile (T) verschickt an den Mobilfunkkunden (K) auf dessen Wunsch eine SIM-Karte. Die Karte wird auf dem Postweg von einem Postmitarbeiter gestohlen und benutzt, wodurch ein Gesprächsumsatz von 1.000 € entsteht. T verschickte die SIM-Karte zusammen mit der zur Aktivierung der SIM-Karte erforderlichen PIN in einer Sendung.
Muß K für die Telefonate des Diebs bezahlen ?
Leistungsort
Im Zweifel ist nach § 269 BGB der Ort der Niederlassung des Schuldnerunternehmens der Leistungsort.
Parteivereinbarung
AGB 12.3: Preise, die durch eine unbefugte Nutzung des Anschlusses entstanden sind, hat der Kunde zu zahlen, wenn und soweit er die unbefugte Nutzung zu vertreten hat.
Hier liegt also das Hauptproblem dieses Falls: Hat der Kunde zu vertreten, daß die SIM-Karte auf dem Postweg zu ihm gestohlen und unbefugt benutzt wird ?
Klare und einfache Antwort: Nein. ?
K hätte den Mißbrauch etwa dann zu vertreten, wenn er die Pflicht gehabt hätte, die Art und Weise des Versands durch eine entsprechende Anordnung zu bestimmen. Zu denken ist an eine Anordnung, daß die SIM-Karte nicht mit der PIN zusammen in einer Sendung verschickt werden soll.
Eine solche Pflicht besteht nicht. K hat den Mißbrauch der SIM-Karte deshalb auch nicht zu vertreten.
Klare und einfache Antwort: Ja ?
K hat die unbefugte Nutzung zu vertreten, da er die Gefahr des Versands trägt. Buff !
Ok, das darf doch nicht wahr sein ...
Dann hat aber die T wenigstens Mitschuld, und zwar am besten zu 100% ..., § 254 !?
K müßte dann zwar grundsätzlich die 1.000 € zahlen, könnte aber vielleicht seinerseits mit einem Schadenseratzanspruch gegen T (teilweise ?) aufrechnen ?
Schadensersatzanspruch K --> T ?
Ordnet der die Gefahr des Versands tragende Empfänger für die Art und Weise des Versands nichts an, so hat der Absender den Versand nach § 242 vorzunehmen. Versendet der Absender entgegen § 242, dann trägt jedenfalls nicht der Empfänger die sich daraus ergebenden Folgen. Liegen weitere Voraussetzungen vor, dann hat in diesem Fall vielmehr der Absender die Folgen zu tragen.
Verbindlichkeit, Gefahrtragung
Vertragliche Hauptpflicht der T ist, dem K die SIM-Karte zu verschaffen. Vertragliche Nebenpflicht ist, die SIM-Karte dem K zuzusenden, was nach § 269 auf dessen Gefahr geschieht. Nebenpflicht der T ist außerdem, auf die Rechtsgüter des K Rücksicht zu nehmen. Die Erfüllung der Nebenpflicht Versand muß nach § 242 so erfolgen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.
Üblicherweise werden Sendungen so verschickt, daß bei vernünftiger Betrachtung erwartet werden kann, daß die Sendung im geschuldeten Zustand beim Empfänger ankommt. Paketversandfähige Waren müssen beispielsweise ordentlich verpackt und so vor vorhersehbaren Beschädigungen durch den Transport geschützt sein. Versendet etwa der Schuldner eine Porzellanvase, indem er diese nur in Zeitungspapier einwickelt und wird die Vase infolge dessen beim Versand zerstört, dann kann er sich nicht darauf berufen, daß das Versandrisiko doch der Gläubiger trüge, da er selbst beim Versand entgegen den Vorstellungen aller billig und gerecht Denkenden und entgegen der Verkehrssitte nicht die erfoderliche Sorgfalt obwalten ließ, § 242.
Der Schuldner muß beim Versand gemäß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt außerdem den Schutz der Rechtsgüter des Gläubigers beachten. Hier kommt in Betracht, daß das Vermögen des K - sonstiges Rechtsgut i.S.v. § 823 I - nicht dadurch beeinträchtigt werden sollte, daß ein Unbefugter auf dem Versandweg leicht die SIM-Karte auf Kosten des Empfängers nutzen kann. Erforderlich ist ein qualifiziertes Verschulden.
Nach AGB 11.1 würde T in jedem Fall bei grober Fahrlässigkeit haften, nach 11.2 im übrigen nur bei Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht.
Wir können uns nun ja darüber streiten, ob der Versand eine wesentliche Vertragspflicht ist - warum schreibt T-Mobile nicht vertragliche Hauptpflicht - oder kann man "wesentlich" mit "Haupt" gleichsetzen ?
Gibt es Widerspruch, daß es in jedem Fall fahrlässig ist, PIN und SIM im selben Paket zu verschicken ? Ist es aber auch grob fahrlässig ? Ich denke, es ist eigentlich üblich, PINs immer separat zu verschicken, um das Mißbrauchsrisiko auszuschließen ... .
Also mein Bauch sagt jedenfalls, daß es insgesamt treuwidrig sein muß, in den AGB die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit zu beschränken, dann planmäßig fahrlässig beim Versand zu schlampen und dieses Risiko planmäßig dem Kunden aufzubürden ... ?
(Waren nur ein paar Gedanken, das ist keine komplette Lösung.) Bye