Betriebliche Übung

Dr Franke Ghostwriter
ich hab noch eine Frage zur betrieblichen Übung. Es gibt ja beim Entstehen einer betrieblichen Übung die Vertrags- und die Vertrauenstheorie. Die Vertragstheorie wird auch vom Lehrstuhl vertreten, heisst also, bei vorbehaltloser, gleichförmiger, kollektiver Leistung für mindestens 3 Jahre entsteht die bÜ dadurch, dass der AG ein konkludentes Angebot macht und die AN dieses stillschweigend annehmen, auf Zugang wird gem. § 151 S.1 BGB verzichtet, so dass dies eine vertragliche Abrede darstellt.

Mir gehts jetzt um die Änderung einer bÜ. Laut Skript ist es möglich, die vorbehaltlose bÜ dadurch wieder abzuändern, dass sie auf einmal nur noch mit Vorbehalt gewährt wird, sprich, es gibt wiederum ein neues Angebot des AG (auf vorbehaltliche Gewährung), dass die AN dann wieder stillschweigend annehmen (außer natürlich, sie widersprechen). Damit wäre dann laut Skript die bÜ dahingehend abgeändert, dass sie nunmehr nur noch vorbehaltlich gewährt wird.

Laut anderen Skripten (aktuelleren) ist dies aber nicht (mehr) mit der BAG- Rechtsprechung zu vereinbaren. Diese abändernde bÜ würde gegen das Verbot fingierter Erklärungen nach § 308 Nr. 5 BGB verstoßen.

Welche Meinung sollte man also vertreten? Ich tendiere zur "veralteten", da diese nun mal dem Skript entspricht (und meiner Meinung nach auch mehr Sinn macht), aber bin echt bisschen unsicher, was in dem Fall von uns erwartet würde.

Was meint ihr?
 
Genau diese Frage habe ich mir gestern auch gestellt...
Ich denke, es kann nie falsch sein, wenn du dich der neuen Rechtsprechung anschließt. Schön könnte man dies auch in einer Streitentscheidung formulieren (alte Auffassung, neue Auffassung) und dann dich einer anzuschließen...
Gruß, Jana
 
ja, so hab ich auch überlegt, wahrscheinlich würde ich das auch tun. mich irritiert halt auch noch ein wenig die begründung des BAG mit dem § 308 Nr. 5, denn dieser ist ja letztlich auch nur auf formularverträge anwendbar. wenn wir jetzt den fall also hätten und der AN keinen formularvertrag hat, dann würde ich mich mit der begründung auch wieder schwer tun mangels anwendbarkeit der 305 ff. in dem fall könnte man dann die auffassung des skripts verteten, denk ich, oder? denn ich hätte keine begründung, warum die entgegenstehende bÜ in diesem fall nicht möglich sein sollte.
 
ja, so hab ich auch überlegt, wahrscheinlich würde ich das auch tun. mich irritiert halt auch noch ein wenig die begründung des BAG mit dem § 308 Nr. 5, denn dieser ist ja letztlich auch nur auf formularverträge anwendbar. wenn wir jetzt den fall also hätten und der AN keinen formularvertrag hat, dann würde ich mich mit der begründung auch wieder schwer tun mangels anwendbarkeit der 305 ff. in dem fall könnte man dann die auffassung des skripts verteten, denk ich, oder? denn ich hätte keine begründung, warum die entgegenstehende bÜ in diesem fall nicht möglich sein sollte.

Die neue Rechtsprechung des BAG begründet es, dass die begründende betriebliche Übung Vertragsbestandteil wird und eine vertragliche Abrede nur durch Kündigung oder Änderungsvertrag möglich ist. Der entstandene Anspruch ist "kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit". Die Erklärung des Arbeitgebers, dass bspw. zukünftig Zahlungen "ohne Anerkennung eine Rechtspflicht" erfolgen, ist als Änderungsangebot anzusehen, als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung (vgl. §305 I BGB). Dies ist mit dem Klauselverbot gem. §308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärung) nicht zu vereinbarungen. Lt. dem Fallbuch von Hemmer (Fall 25) muss dem Vertragspartner (AN) zu dieser Erklärung eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt werden. Gem. § 307 II Nr. 1 BGB ist im Zivilrecht Schweigen grdsl. keine WE und dies durch AGB nur in Grenzen abänderbar. Dies verbietet § 308 Nr. 5 zwar nicht unmittelbar, sie verbietet es aber in dem Fall, dass es dem AN nicht ausreichend bewusst war. Der AG müsste also dem AN ausdrücklich darauf hinweisen, dass sein Schweigen eine Bedeutung haben kann, ansonsten hat der AG seine Erklärung unzureichend vorgenommen und ist weiterhin an den aus der ersten betrieblichen Übung entstandenen Anspruch gebunden.
 
@jana: das heisst, diese (versuchte) abändernde bÜ wäre in jedem fall nach §§ 305 ff. prüfbar, auch wenn der irgendwann mal abgeschlossene einzelarbeitsvertrag kein formularvertrag war? weil die abändernde bÜ sich "auf eine vielzahl von verträgen" bezieht und vorformuliert ist,. also quasi die TBMs des § 305 I 1 erfüllt? ok...

@esther: genau deshalb meine nachfrage. irgendwie hast du recht, aber andererseits kann man ja auch nicht "die augen verschließen" vor der nun wirklich sehr klaren geänderten rechtsprechung...ich mein, wenn irgendwas zu elternzeit drankommen würde, dann würden wir ja auch nicht das (im skirpt noch behandelte) berzgg heranziehen, sondern das beeg. das wird ja sicherlich nicht drankommen, da eben im skirpt völlig veraltet, aber bei der bÜ, ich weiß nicht. ich denke, man kann die im skript vertretene auffassung unproblematsich in einer klausur vertreten, aber es kommt doch bestimmt gut an, wenn man die neueste rechtsprechung kennt, also quasi sowohl skript als auch aktuelles. hm.
 
Sicherlich kann es uns keiner ankreiden, wenn man nicht alle Urteile kennt und die Skripte es so vorsehen.
Ich denke, dass es unschädlich ist, wenn man aber die neueste Rechtsprechung heranzieht. Es ist alles eine Sache der Argumentation.
 
Also ich bei dem Vorbereitungsseminar den Leiter gefragt, wie wir die Fragen beantworten sollen, wenn sich die Rechtslage geändert hat. Gerade auch wegen der EuGH-Rechtsprechung. Der Seminarleiter meinte, dass wir immer auf dem Deckblatt nachsehen sollen, welcher Rechtsstand abgeprüft wird. Es wäre m. M. nach auch gegenüber den Studierenden ungerecht, eine Rechtsprechung zu verlangen, die nirgendwo aufgeführt ist.

Aber genau aus diesem Grund wird sicherlich auch keine betriebliche Übung abgefragt werden. Der Themenkreis wird enger ...
 
@jana: das heisst, diese (versuchte) abändernde bÜ wäre in jedem fall nach §§ 305 ff. prüfbar, auch wenn der irgendwann mal abgeschlossene einzelarbeitsvertrag kein formularvertrag war? weil die abändernde bÜ sich "auf eine vielzahl von verträgen" bezieht und vorformuliert ist,. also quasi die TBMs des § 305 I 1 erfüllt? ok...

Ich denke, die neue Erklärung, dass der AG in Zukunft Bspw. "Weihnachtsgeld ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" an die gesamte Belegschaft zahlen will, stellt ein neues Vertragsangebot iSd. § 305 I dar, unabhängig vom Ursprungsarbeitsvertrag.
 
Also ich bei dem Vorbereitungsseminar den Leiter gefragt, wie wir die Fragen beantworten sollen, wenn sich die Rechtslage geändert hat. Gerade auch wegen der EuGH-Rechtsprechung. Der Seminarleiter meinte, dass wir immer auf dem Deckblatt nachsehen sollen, welcher Rechtsstand abgeprüft wird. Es wäre m. M. nach auch gegenüber den Studierenden ungerecht, eine Rechtsprechung zu verlangen, die nirgendwo aufgeführt ist.

Aber genau aus diesem Grund wird sicherlich auch keine betriebliche Übung abgefragt werden. Der Themenkreis wird enger ...

Vermute ich auch..., aber ich kann mich nicht erinnern, dass auf den Klausuren bisher der "Rechtsstand" drauf stand. Außerdem wurde die betriebliche Übung durch die Rechtsprechnung entwickelt...
Aber egal! Betriebliche Übung wird wohl kaum Klausurgegenstand...
 
ok, so hab ich es auch verstanden. damit kann ich mich anfreunden, dann könnte man wenigstens auch gut argumentieren 🙂

kann aber natürlich auch sein, dass es dann nicht abgefragt wird, wobei die letzte klausur ja auch eugh- rechtsprechung angeschnitten hat bei der kündigungsfrist, den 622 II 2, und das war auch noch nicht in den skripten. aber ich glaube, da hat man beide ansichten vertreten können. wir werden sehen.

meine tendenz geht inzwischen doch recht stark zu urlaubsabgeltungsanspruch bei nicht beendetem arbeitsverhältnis, so mit 280, 283. oder betriebsübergang. hm...
 
Nur für den Fall, dass der AN Widerspruch erhebt, wenn dafür KEIN sachlicher Grund vorliegt...,nach neuer Ansicht sind die Gründe des Widerspruchs nicht mehr zu berücksichtigen; also ist eine soziale Auswahl vorzunehmen. Die Einschränkung der sozialen Auswahl ist nicht mehr zulässig. Dies hängt damit zusammen, dass abschließend das KSchG die Äbwägungskriterien regelt. Eine Einschränkung der Sozialauswahl aufgrund des Widerspruchs ist daher grundlos.
Ich bin der Meinung, dass dies in unserem Skript nicht so enthalten ist...
Gruß.
 
stimmt, du hast recht! das hatte ich doch auch schonmal gelesen (und im skript ist es anders) und mich noch total gefreut, weil die prüfung dann viel einfacher wird, finde ich 😀 also bevor ich da rumlamentier, ob der widerspruch begründet war und wie sich das auswirkt, würde ich das nur kurz ansprechen, dass es früher mal so war und jetzt aber die ganz normale prüfung stattfindet.

ja, richtig, ich hatte die alte rechtsprechung sogar schon verdrängt 😉 hab mir gedacht, ich merke mir immer das, was leichter ist
 
Ich denke, es ist immer eine Sache der Argumentation... Aber ich persönlich finde, es argumentiert sich einfacher, wenn man die Rsp. kennt. Die Klausur aus dem letzten Jahr, war lt. Lösungsskizze echt machbar....
Naja, ich wünsche allen die ArbvertrR screiben VIEL GLÜCK.
 
die wird gar nicht so richtig abgelehnt gera, aber sie wird halt nur in der literatur vertreten, die vertragstheorie vom bag und (klausurtechnisch wichtig) vom lehrstuhl. aber du kannst bestimmt, wenn du damit besser hinkommst, die vertrauenstheorie vertreten! in arbeitsrecht ist da ja, wie ich schon festgestellt hab, viel vertretbar. ein hoch auf die ganzen unterschiedlichen meinungen in der literatur
 
Ich wüsste schon, wie ich dagegen entscheiden könnte, es hätte mich einfach nur interessiert, ob Hagen da eine bestimmte Kritik übt. ... Meinetwegen müsste bÜ nicht unbedingt dran kommen. Naja, wir werden es morgen sehen.

Vielen lieben Dank für deine anhaltenden Auskünfte über die Skript-Angaben!
 
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